Verschmutzung und Rauch über Lyon
AFP – PHILIPPE DESMAZES
AFP – PHILIPPE DESMAZES

Zwei-Grad-Ziel erreichbar – wenn alle Zusagen einhalten

Maximal 1,5 Grad mehr als zu Beginn der Industrialisierung: Dieses Klimaziel ist laut neuesten Berechnungen kaum zu erreichen. Das Zwei-Grad-Ziel ist aber noch zu schaffen – wenn alle Regierungen ihre bisher gemachten Klimaversprechen halten.

Alle zugesagten Einsparungen von Treibhausgasemissionen müssten sowohl vom Umfang her als auch zeitlich wie vorgesehen umgesetzt werden, schreibt eine internationale Forschergruppe im Fachblatt „Nature“. Daran gibt es unter Expertinnen und Experten allerdings erhebliche Zweifel.

Zahlreiche Unsicherheiten bei Berechnung

Ein Team um Malte Meinshausen von der australischen University of Melbourne bezog in seine Berechnungen alle Ziele und Zusagen von Staaten mit ein, die im Rahmen der UNO-Klimakonferenz in Glasgow 2021 gemacht wurden.

Die Forscherinnen und Forscher rechneten durch, welche Auswirkungen die angekündigte Verringerung der Treibhausgase auf die weltweite Durchschnittstemperatur haben werden. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 48 bis 58 Prozent die vorliegenden Reduzierungszusagen ausreichen werden, um eine Erwärmung von mehr als zwei Grad zu vermeiden.

Die Spanne bei der Prozentangabe zeigt die Unsicherheit bei der Berechnung auf. So sind manche Zusagen von Staaten vage gehalten oder beinhalten selbst einen Wertebereich statt einer Zahl. Zu einigen Wirtschaftssektoren ist die Datenbasis womöglich nicht robust genug. Des Weiteren sind die Möglichkeiten der einzelnen Staaten, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen, sehr unterschiedlich. Auch die Landnutzung und deren Änderung, etwa die Abholzung von Regenwäldern, sind schwer zu kalkulieren, so die Fachleute – darunter auch Zeb Nicholls vom Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien.

Pariser 1,5-Grad-Ziel außer Reichweite

Im Jahr 2015 verabschiedeten Klimaabkommen von Paris ist das Ziel genannt, die globale Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter nicht nur knapp, sondern „deutlich unter“ zwei Grad Celsius zu halten. Zudem seien die Vertragsstaaten entschlossen, ihre Bemühungen zu verstärken, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, hieß es damals.

Doch die 2015 gemachten Zusagen der Vertragsstaaten zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen reichten bei Weitem nicht aus, um auch nur das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. In den folgenden Jahren und schließlich bei der UNO-Klimakonferenz in Glasgow 2021 haben viele Staaten die eigenen Einsparziele erhöht.

Rauch über Bäumen
AFP – OLIVIER MORIN

Recht deutlich ist laut der neuen Studie, dass die Chance, das 1,5-Grad-Ziel mit den aktuellen Zusagen zu erreichen, sehr gering ist. Die Fachleute sprechen von einer Wahrscheinlichkeit zwischen sechs und zehn Prozent, falls die globalen Emissionen in dieser Dekade nicht deutlich reduziert werden.

Weitere Anstrengungen nötig

Die Projektion, dass die Erderwärmung knapp unter zwei Grad gehalten werden kann, gilt den Forscherinnen und Forschern zufolge auch nur dann, wenn nicht nur die unbedingten Zusagen, sondern auch diejenigen, die noch an Bedingungen geknüpft sind, voll erfüllt werden. Das Team um Meinshausen plädiert deshalb für zusätzliche politische Anstrengungen, den Treibhausgasausstoß weiter zu verringern und warnt im Hinblick auf das Zwei-Grad-Ziel: „Jede Verzögerung beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe und bei der Entwicklung nachhaltiger, zusätzlicher und dauerhafter Optionen für negative Emissionen wird dieses Ziel unerreichbar machen.“

Künftiger Nationalismus kann alles verändern

In einem Kommentar, ebenfalls in „Nature“ erschienen, mahnen Zeke Hausfather von der Non-Profit-Organisation Berkeley Earth in Berkeley und Frances Moore von der University of California in Davis (beide in Kalifornien, USA), dass Zusagen nicht ausreichen: „Obwohl die ehrgeizigen langfristigen Netto-Null-Versprechen der letzten Jahre sicherlich eine gute Nachricht sind, bleiben Zweifel, ob die Regierungen auf dem richtigen Weg sind, diese Verpflichtungen zu erfüllen.“ Zudem zeigten die aktuellen Ereignisse in Russland bzw. der Ukraine, dass eine Zukunft nicht ausgeschlossen werden kann, die von einem wiedererstarkenden Nationalismus geprägt ist, der die globale Zusammenarbeit belastet und zu einem entsprechenden Anstieg der Emissionen führt.

Pläne bisher

Laut den Plänen der EU dürfen bis 2050 nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auf anderem Weg kompensiert werden. Es würden dann die sogenannten Netto-Null-Emissionen erreicht. Zumindest bis 2030 will die Staatengemeinschaft mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgas ausstoßen als im Vergleichsjahr 1990. Auch der mittlerweile größte CO2-Emissionsverursacher, China, möchte bis zum Jahr 2060 klimaneutral sein. Die USA als zweitgrößter CO2-Produzent haben sich dieses Ziel bis 2050 gesteckt.