Iriri Fluß im Amazonas
AFP/MAURO PIMENTEL
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Immer weniger Stickstoff in natürlichen Ökosystemen

Während Felder durch Dünger große Mengen Stickstoff erhalten, geht der Gehalt in vielen Ökosystemen seit Jahrzehnten zurück. Unter anderem soll der steigende CO2-Anteil in der Luft für den Rückgang des für Pflanzen und Mikroorganismen lebenswichtigen Elements verantwortlich sein. Auch höhere Temperaturen und veränderte Regenmengen spielen eine Rolle.

Wenn Pflanzen weniger Stickstoff erhalten, wachsen sie langsamer und die Blätter sind weniger nahrhaft. Das führt zu einem geringeren Wachstum bei manchen Insekten und ihren Fressfeinden und zum Teil auch zu weniger Nachkommen. Der Stickstoff der Pflanzen beeinflusst die gesamte Nahrungskette.

Stickstoff ist auch ein zentraler Bestandteil von Düngemitteln. Deshalb gibt es im Zusammenhang mit intensiver Landwirtschaft auch viele Gegenden mit einem Überangebot an Stickstoffverbindungen, was in Gewässern zu Algenblüten und zum Rückgang des im Wasser gelösten Sauerstoffs führt. „Es gibt gleichzeitig zu viel Stickstoff und zu wenig Stickstoff auf der Erde“, so Rachel Mason vom National Socio-Environmental Synthesis Center in Annapolis in einer Aussendung.

Das Team um Rachel Mason und Andrew Elmore wertete für seine nun Fachjournal „Science“ veröffentlichte Übersichtsstudie 100 wissenschaftliche Untersuchungen zu verschiedenen naturbelassenen Ökosystemen aus. Ob der gebundene Stickstoff im Boden, im Wasser von Bächen und Flüssen oder in Pflanzenteilen gemessen wurde: Überall in diesen Ökosystemen ist ein rückläufiger Trend zu erkennen.

Mehr CO2, weniger Stickstoff

Der rückläufige Trend des verfügbaren Stickstoffs in Ökosystemen setzte je nach Untersuchungsreihe zu etwas andere Zeiten ein: Bei der Analyse von verschiedenen sogenannten Isotopen chemischer Elemente in Jahresringen fanden amerikanische Forscher den Beginn des Trends um das Jahr 1930. Messungen in Seesedimenten und Blätterproben ergaben, dass die Stickstoff-Verringerung bereits im frühen 20. Jahrhundert begonnen hat.

Je höher der CO2-Gehalt der Atmosphäre ist, desto geringer ist der Stickstoffgehalt in Pflanzen. Diesen Zusammenhang zeigen ganz unterschiedliche Untersuchungen, auch wenn der genaue Mechanismus nicht bekannt ist. Der erhöhte CO2-Gehalt der Luft könnte zu einem verstärkten Pflanzenwachstum führen. Eine Folge davon könnte ein erhöhter Bedarf an Stickstoff sein, der dann in natürlichen Kreisläufen fehle, schreiben die Forscher. Es gebe aber noch kein umfassendes Modell zum Erkennen von großräumigen Trends der Verfügbarkeit von Stickstoff für Pflanzen und Mikroorganismen.

Vernachlässigter Zusammenhang

Die Forscher bemängeln, dass der Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoff- und dem Stickstoffkreislauf von etwa der Hälfte der wissenschaftlichen Erdsystemmodelle nicht abgebildet werde. Wenn er berücksichtigt würde, zeigten Modellrechnungen bei Landökosystemen einen Rückgang der CO2-Aufnahmefähigkeit in der jüngeren Vergangenheit.

Da das Wachstum und die Reproduktion von Pflanzenfressern mit der Proteinaufnahme einhergehe, könne eine abnehmende Stickstoffkonzentration in Blättern zu einem weit verbreiteten Rückgang der Insektenpopulationen beitragen und das Wachstum von Weidevieh und pflanzenfressenden Wildsäugetieren negativ beeinflussen, schreiben Elmore und Kollegen. Denn Stickstoff ist für den Aufbau von Proteinen (Eiweißen) notwendig. Das Team fordert einen jährlichen Bericht, der für Wissenschaftler, Umweltmanager und politische Entscheidungsträger den Zustand des Stickstoffzyklus anhand von aktuellen Messungen und Analysen darstellt.