Ein Mann und eine Frau in den 60ern sprechen miteinander
fizkes – stock.adobe.com
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„Kuschelhormon“

Oxytocin macht ältere Menschen spendabler

Wie zufrieden wir mit unserem Leben sind, hängt unter anderem mit unseren Hormonen zusammen. Gerade ältere Menschen mit viel Oxytocin im Blut sind oft spendabler und generell glücklicher, wie eine neue Studie zeigt. Unklar ist aber noch, ob das „Kuschelhormon“ eine Ursache oder das Ergebnis des zufriedeneren Lebens ist.

Unzufrieden, geizig und grantig – diese Attribute werden älteren Personen immer wieder zugeschrieben. Ein prominentes Beispiel aus der Literatur ist etwa Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte. Neue Erkenntnisse zeigen aber, dass sich der alte Geizkragen alles andere als typisch für Menschen in seinem Alter verhält.

Laut dem Neuroökonomen Paul Zack von der US-amerikanischen Glaremont Graduate Universität macht das „Kuschelhormon“ Oxytocin Menschen mit fortschreitendem Alter nicht nur generell zufriedener, sie werden mit den Jahren auch immer spendabler. Die genaue Wirkweise von Oxytocin ist wissenschaftlich zwar umstritten, klar ist aber, dass das Hormon unter anderem bei der Paarbindung und der mütterlichen Bindung zum Kind eine Rolle spielt. Außerdem beeinflusst es soziale Interaktionen generell.

Spendabler mit fortschreitendem Alter

Der Neuroökonom präsentiert das Ergebnis der Untersuchung gemeinsam mit einem Team derzeit im Fachjournal „Frontiers in Behavioral Neuroscience“. Das Team nutzte ein Experiment, um das Verhalten von rund 100 Personen im Alter von 18 bis 99 Jahren zu untersuchen. Dabei zeigten die Forscher den US-amerikanischen Teilnehmerinnen und Teilnehmern ein emotionales Video über ein Kind mit einer Krebserkrankung. Danach bekamen die Personen die Möglichkeit, einen Teil des Geldes, das sie für das Experiment bekommen sollten, an eine Organisation zu spenden, die Kindern mit Krebserkrankungen hilft.

Beim Experiment zeigte sich, dass ältere Menschen generell spendabler waren. So spendeten jene, die älter als 65 Jahre waren, mit einem durchschnittlichen Betrag von zwölf Euro rund dreimal so viel wie Personen im Alter von 18 bis 35 Jahren. Von der finanziellen Situation der jeweiligen Personen hänge das aber nicht ab, wie Zack gegenüber science.ORF.at erklärt: „Wir haben das Einkommen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer natürlich berücksichtigt – in der von uns untersuchten Gruppe waren auch die jüngeren Personen finanziell gut genug positioniert, um zumindest einen Teil des Geldes spenden zu können.“ Laut dem Neuroökonomen sei das Ergebnis vielmehr darauf zurückzuführen, dass sich ältere Menschen eher dazu entscheiden, anderen aktiv zu helfen.

Mehr Oxytocin nach emotionalem Video

Im Rahmen des Experiments untersuchten die Forscher auch das Blut der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – jeweils vor und nach dem Video. Dabei zeigte sich, dass ältere Personen nach den gezeigten Bildern generell mehr Oxytocin im Blut hatten als ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. Im Allgemeinen nehme die Menge des Hormons im Blut mit fortschreitendem Alter zu, wie die Forscher herausfinden konnten.

In weiteren Befragungen zum generellen Befinden und den sozialen Tätigkeiten in der Vergangenheit der Probandinnen und Probanden stellte das Forscherteam außerdem fest, dass Personen mit einem höheren Oxytocin-Wert auch in den letzten Jahren eher dazu bereit waren, Geld zu spenden oder ihre Zeit als freiwillige Helfer zur Verfügung zu stellen. Für Zack ein interessantes Ergebnis: „Die Personen, die mehr Oxytocin im Blut hatten, waren nicht nur spendabler, sie haben auch angegeben, generell zufriedener mit ihrem Leben zu sein als die jüngeren Teilnehmer.“

Ergebnis oder Auslöser?

Aus der Untersuchung des Forschungsteams lasse sich aber noch nicht genau ablesen, ob Oxytocin ein Ergebnis oder der Auslöser der beobachteten Verhaltensweisen ist. Laut dem Neuroökonomen bestehe aber ein klarer Zusammenhang zwischen prosozialem Verhalten, einem höheren Oxytocin-Wert und einer gesteigerten Lebenszufriedenheit. Eine mögliche Erklärung dafür: „Ältere Menschen können aufgrund ihrer Lebenserfahrung oft besser mit negativen Emotionen umgehen und so gleich mehr Mitgefühl zeigen, wenn sie Dinge wie das Video vom Kind mit Krebs sehen. Das signalisiert dem Gehirn, mehr Oxytocin auszustoßen als bei Menschen, die zuerst die negativen Eindrücke verarbeiten müssen.“

Zufriedenheit kann trainiert werden

Da Oxytocin – wie auch in der aktuellen Studie von Zack aufgezeigt – generell mit einer zufriedeneren Lebenseinstellung zusammenhängen kann und dessen Bildung durch soziale Interaktionen angetrieben wird, könne Zufriedenheit auch trainiert werden. Je öfter man prosoziales Verhalten zeigt, desto eher werde auch der Oxytocin-Wert in die Höhe getrieben und desto wahrscheinlicher sei es, dass die Menschen auch im späteren Leben mehr Oxytocin produzieren.

Der Neuroökonom rät daher vor allem allen jüngeren Menschen, die eventuell nicht ganz zufrieden sind: „Helft anderen, spendet Geld oder stellt eure Zeit für soziale Interaktionen zur Verfügung.“ Ein Rat, der auch viele Gemeinsamkeiten mit gängigen religiösen oder philosophischen Ansichten hat: „Anderen zu helfen, bereichert auch das eigene Leben enorm.“

Weitere Untersuchungen geplant

Ob Oxytocin ein Ergebnis oder der Auslöser des prosozialen Verhaltens ist, möchte Zack in weiteren Untersuchungen noch genauer erforschen. Es sei auch wahrscheinlich, dass neben der Freisetzung des „Kuschelhormons“ noch weitere Faktoren eine Rolle spielen, die Menschen dazu veranlassen, Geld zu teilen oder eine höhere Lebenszufriedenheit zu haben. Diese müssten jedoch erst in genauer erforscht werden. Dazu arbeitet Zack mit einem Team gerade an einem tragbaren Gerät, das die Oxytocin-Werte laufend messen soll. So erhoffen sich die Forscher, noch mehr darüber zu erfahren, was für ein zufriedenes Leben nötig ist.