Menschliche Zellen unter dem Mikroskp
Sanne Boersma – Hubrecht Institute
Sanne Boersma – Hubrecht Institute
Studie

Immunzellen können Wände durchdringen

Immunzellen müssen im Körper ständig Wände aus dicht gepackten Zellen durchdringen – ein Prozess, der etwa für die Wundheilung wichtig ist. Wie Immunzellen dabei vorgehen und sich dabei die Zellteilung zunutze machen, haben österreichische Forscherinnen untersucht.

Wenn Immunzellen durch den Körper wandern, um Infektionen zu bekämpfen, stoßen sie auch auf Barrieren in Form von Gewebe aus besonders dicht aneinander sitzenden Zellen. Damit sie ihre Aufgabe erfüllen können, müssen sie einen Weg durch diese Mauer finden. Wie sie das tun, beschreibt ein Forschungsteam um Daria Siekhaus vom Institute of Science and Technology Austria (ISTA) in Klosterneuburg aktuell im Fachjournal „Science“.

Bereits Anfang des Jahres zeigte das Forschungsteam in einer im Fachjournal „PLOS Biology“ veröffentlichten Studie, dass die Immunzellen bei Einsätzen im engen Umfeld ihre Außenwände gezielt verstärken. Nun ist die theoretische Biophysikerin Maria Akhmanova aus Siekhaus’ Gruppe gemeinsam mit Kollegen des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) und drei Schülern des Gymnasiums Klosterneuburg mit Hochleistungsmikroskopen dem Weg von Makrophagen in durchsichtigen Fliegenembryonen gefolgt.

Pionierzelle gibt Weg vor

Sie beobachteten, dass eine Pionierzelle nach der richtigen Stelle sucht, um in dichtgepacktes Gewebe einzudringen. Diese Pionierin wartet darauf, dass sich eine Gewebszelle zu teilen beginnt und dabei rund wird – ein normaler Vorgang im Zellzyklus. Mit dem Zellkern voran drängt die Pionierzelle in die entstandene Lücke und alle anderen Immunzellen folgen. In einer weiteren, kürzlich im Fachmagazin „EMBO Journal“ veröffentlichten Arbeit haben sie gezeigt, dass die Pionierzelle dabei einen zusätzlichen Energieschub erhält, der von einem neu entdeckten Protein namens „Atossa“ gesteuert wird.

Indem sie die Zellteilung gezielt ausschalteten, verlangsamten bzw. beschleunigten, konnten die Forscherinnen und Forscher nachweisen, dass nicht die geänderte Form der Zelle vor ihrer Teilung entscheidend dafür ist, ob Immunzellen in das Gewebe eindringen können. Vielmehr ist die Zellteilung selbst ausschlaggebend: Sobald sich die Gewebezelle teilt, wird die Verbindung zu ihrer Umgebung schwächer und diese geringere Bindung zwischen den Zellen nutzen die Immunzellen zum Eindringen aus.

„Sehr elegantes Konzept“

Für Siekhaus ein „sehr elegantes Konzept mit weitreichenden Folgen“. Denn der gleiche Mechanismus, der den Makrophagen hilft, in das Gewebe einzudringen, könnte auch für viele andere Arten von Immunzellen in Wirbeltieren wie dem Menschen wichtig sein.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler wollen nun herausfinden, ob es möglich ist, in Tumoren die Verbindungen oder die Teilung der Gewebezellen zu manipulieren, damit Immunzellen besser in das Geschwulst eindringen und es von innen heraus bekämpfen können. Auch Immunzellen, die bei Autoimmunerkrankungen gesundes Gewebe angreifen, könnten so eventuell daran gehindert werden.