Getreide
APN
APN
Landwirtschaft

Ernährungssicherheit durch Gentechnik

In der EU wird seit vergangenem Jahr über eine Neuregelung der Gentechnik in der Landwirtschaft debattiert. Mit Hilfe neuer Gentechnik könnten widerstandsfähigere, ertragreiche Sorten entwickelt werden. Aus Sicht der Forschung überwiegen die Potenziale, nicht die Risiken.

Dass die Klimakrise zu Engpässen bei Grundnahrungsmitteln führen wird, prognostizieren zahlreiche Studien. Eine, die vergangenes im Fachjournal „Nature Food“ erschienen ist, kommt etwa zu dem Schluss, dass Dürren und veränderte Regenmuster die Erträge bereits in 20 Jahren reduzieren werden – gerade bei wichtigen Nutzpflanzen wie Mais, Reis oder Sojabohnen. Neue Sorten, die auf kleineren Flächen mehr Ertrag liefern bzw. Sorten, die widerstandsfähiger sind, könnten eine Lösung sein.

Die Molekularbiologin Ortrun Mittelsten Scheid vom Wiener Gregor-Mendel-Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist davon überzeugt, dass die neue Gentechnik, also das Genome Editing, hier einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Voraussetzung sei allerdings, dass mehr Grundlagenforschung in diesem Bereich stattfinde.

Klassische Züchtung zu langsam

Denn die genetischen Eigenschaften, die die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegen Hitze, Dürre und versalzene Böden stärken, sind sehr komplex. „Wir haben aber ein großes Reservoir an Vorbildern, nämlich Wildpflanzen, die sich hervorragend an solche Bedingungen angepasst haben“, sagt Mittelsten Scheid. Man müsse den Schatz an genomischen Informationen, der ständig wachse, nutzen, um diese Prinzipien zu verstehen und sie dann mit Wissen über Kulturpflanzen kombinieren.

Auch neue Sorten, die nicht unbedingt auf Trockenheitsresistenz abzielen, könnten zur Ernährungssicherheit beitragen, ist Mittelsten Scheid überzeugt, nämlich wenn sie mehr Ertrag auf kleineren Flächen oder bessere Qualität liefern. „Gerade verbesserte Verarbeitungseigenschaften oder Lagerungseigenschaften können durchaus Beiträge leisten, um das Problem anzugehen.“

Um die Landwirtschaft an die sich verändernden Klimabedingungen anzupassen, bleibt laut Prognosen wenig Zeit. Klassische Züchtungsmethoden, wie die Mutagenese durch Bestrahlung oder chemische Behandlung von Saatgut, führen zu vielen zufälligen Veränderungen im Erbgut. Die wenigen vorteilhaften müssen langwierig aufgespürt werden.

Keine genetischen Unterschiede

Die Genschere CRISPR/Cas erlaube es dagegen, gezielt einzelne Gene auszuschalten oder einzuschleusen. Das bringe eindeutige Vorteile, sagt Mittelsten Scheid: „Präzision, Zeit- und Kostenersparnis und die Möglichkeit, Mutationen zu kombinieren, die man mit traditioneller Züchtung nicht so leicht kombinieren kann.“

Das Ergebnis solcher Genome-Editing-Verfahren lasse sich von natürlichen Mutationen nicht unterscheiden. Die von Umweltorganisationen oft geforderten Nachweismethoden für Pflanzen, die mittels Genome Editing entwickelt wurden, seien daher nicht realistisch: „Sobald keine der anderen CRISPR-Komponenten – wie das DNA-schneidende Enzym – mehr in den Pflanzen enthalten sind, ist die entstandene Mutation in keiner Weise molekularbiologisch unterscheidbar“, erklärt Mittelsten Scheid. Die entstandene Mutation könnte genauso gut spontan, durch Bestrahlung oder die Einwirkung von Chemikalien ausgelöst worden sein.

Regulierung behindert Forschung

Die strenge Regulierung solcher gentechnischen Methoden bewirke jedoch, dass die Forschung in diesem Bereich hinterherhinke – nicht nur in der Anwendung, sondern auch in der Grundlagenforschung. „Wenn es keine Anwendungsmöglichkeiten gibt und man seine Ausbildung, seine Expertise nicht in Anwendung bringen kann, dann wird dieses Forschungsfeld nicht besonders attraktiv für Forscherinnen und Forscher sein“, sagt Mittelsten Scheid. Ein Umstand, der sich auch in einer geringeren Forschungsförderung niederschlage.

Nachdem es sich um eine einfache Technik handle, könnten auch kleine Saatguthersteller vom Einsatz profitieren und damit auch lokale, wenig verbreitete Sorten weiterentwickeln. Es würden also nicht nur die großen Saatgutkonzerne von einer gesetzlichen Neuregelung profitieren, so die Molekularbiologin – eine Befürchtung, die Umweltorganisationen oft äußern.

Risikoforschung in beide Richtungen

NGOs wie Global 2000, IG Saatgut und Greenpeace fordern zudem mehr Risikoforschung zum Einsatz gentechnisch veränderter Organismen. Mittelsten Scheid plädiert ebenfalls für mehr Risikoforschung, jedoch in einem anderen Bereich: „Was passiert, wenn wir auf die Anwendung verzichten, was ist das Risiko, wenn wir diese Technologie nicht anwenden?“

Zumindest zum Potenzial Neuer Gentechnik in der Landwirtschaft gibt es bereits Studien. Eine agrarökonomische Untersuchung der Universität Bonn kam vor kurzem zu dem Schluss, dass mit Hilfe von Gentechnik in Europa eine Ertragsteigerung von sieben bis zehn Prozent erreicht werden könnte.