Nie hätten Anna Kosogor und ihre Kollegen sich vorstellen können, im Krieg aufzuwachen, zeigt sich die 37-jährige Materialwissenschaftlerin nach wie vor schockiert. „Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass wir im 21. Jahrhundert mit einem solchen Krieg konfrontiert werden. Doch dann wachten wir um führ Uhr morgens mit dem Geräusch von Bombenangriffen und Sirenen auf“, so beschreibt sie den Beginn des Angriffkrieges in der Ukraine.
Leben im Bunker
Mit ihrem fünfjährigen Sohn und ihrem Mann floh sie aus Kiew, wo sie an der Nationalen Akademie der Wissenschaften arbeitete. Doch auch auf dem Land bei den Eltern war es zu gefährlich, schließlich verbrachten sie einige Wochen in einem Bunker in einem Vorort von Kiew. Dort sei die Elektrizität immer wieder ausgefallen, es gab Probleme mit dem Internet und die Lebensmittelversorgung wurde immer prekärer. Vor allem aber machte die ständige Angst um das eigene Leben und das ihres Kindes es sehr schwierig, sich weiter auf die Arbeit zu konzentrieren.
„Meine Kollegen und ich versuchten, weiterhin in Verbindung zu bleiben und, so gut es ging, an unseren Projekten weiter zu arbeiten. Doch die ständige direkte Bedrohung, die Geräusche von herabfallenden Bomben und das Eingesperrtsein im Bunker, all das hat es uns unmöglich gemacht, weiter zu arbeiten“, berichtet sie.

Schwere Entscheidung zur Flucht
Dabei hätte sie schon früher das Land verlassen können: Viele Kollegen im Ausland boten ihr Unterstützung an, doch Anna Kosogor wollte lange nicht weg. Als Wissenschaftlerin war sie schon viel unterwegs, hatte Stipendienaufenthalte von Schweden bis Japan. Doch das sei etwas anderes als zu fliehen, meint sie. Das Gefühl, nicht zu wissen, ob und wann sie zurückkehren kann, belaste sie stark.
Ihr Sohn habe schließlich den Ausschlag gegeben, das Land – und ihren wehrpflichtigen Ehemann – zu verlassen, mit dem Emergency Call der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ging es nach Österreich. Ihr Sohn besucht in Wien den Kindergarten und fühle sich trotz Sprachbarriere sehr wohl, so Anna Kosogor.
Sie vermutet, er sei froh, wieder Kinder um sich zu haben nach der bedrückenden Zeit im Bunker. „Ich glaube, dieser Monat im Bunker, in der Isolation, ohne Kontakt zu anderen Kindern, das war sehr schwer für ihn“, so Anna Kosogor.
Stipendien für vier Monate
Das Stipendium im Rahmen des Emergency Call der ÖAW läuft für zwei Monate, danach folgt ein weiteres zweimonatiges Stipendium des Erwin Schrödinger Instituts der Uni Wien. Ihre Zukunft sieht Anna Kosogor in ihrem Heimatland – sie hofft auf eine baldige Rückkehr.