Mischling
@wanderswild (Instagram)
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Verhaltensforschung

Hunderasse sagt wenig über Verhalten aus

Bei der Wahl eines Hundes konzentrieren sich die meisten zuallererst auf die Rasse. Die bestimmt das Verhalten der treuen tierischen Begleiter aber kaum, wie eine neue Studie aufzeigt. Die Persönlichkeiten sind demnach auch innerhalb einer Rasse bei jedem Hund verschieden.

Golden Retriever gelten als ideale Familienhunde, Collies als gelehrig und Beagles als oft heulende Jagdhunde. Es gibt zahlreiche Charaktereigenschaften, mit denen man moderne Hunderassen gemeinhin in Verbindung bringt.

Dabei ist das Verhalten der Tiere individuell für jeden Hund verschieden, wie die Doktorandin Kathleen Morrill von der US-amerikanischen University of Massachusetts Chan Medical School im Fachjournal „Science“ aufzeigt. In einer großangelegten Studie kam sie zusammen mit einem Team aus Expertinnen und Experten zu dem Ergebnis, dass die Unterschiede zwischen individuellen Hunden meist größer sind als die zwischen einzelnen Rassen.

Vorurteile sind veraltet

Die bestehenden Vorurteile zum Verhalten bestimmter Hunderassen sind laut der Studie in den vergangenen zweihundert Jahren entstanden – die Ursprünge der Hunde liegen hingegen bereits mehr als 10.000 Jahre zurück. Erst seit dem 19. Jahrhundert seien Hunde weithin nach einem körperlichen Ideal und mit der Vorstellung möglichst reiner Linien gezüchtet worden. Davor wurden die Tiere eher mit Blick auf die Aufgaben ausgewählt, die sie übernehmen sollten – etwa als Hüte-, Jagd- oder Wachhunde.

Hund, Mischling (Pitbull, Spaniel, Schäfer)
Jane O’Donnell
Mischling mit Anteilen eines Pitbulls

Den in den vergangenen zwei Jahrhunderten entstandenen modernen Hunderassen werden noch bis heute Verhaltensweisen zugeschrieben, die unter anderem auf ihre ehemaligen Einsatzgebiete zurückzuführen sind. Komplett unberechtigt sei das natürlich nicht, wie die Autorinnen und Autoren einräumen – wie sehr das Verhalten einzelner Hunde aber von dem ihrer Vorfahren abweicht, variiere stark.

Rasse bestimmt Verhalten kaum

Viele Verhaltensweisen der Hunde sind laut der Studie zwar erblich, allerdings werden sie durch mehrere Gene sowie durch die Umwelt stark beeinflusst. Die Rasse allein erkläre daher etwa nur neun Prozent der Unterschiede im Verhalten und Temperament einzelner Hunde. Eine größere Rolle würden hingegen das Alter und Geschlecht des Hundes spielen.

Um auf dieses Ergebnis zu kommen, nutzte Morrill Daten aus Genanalysen von über 2.000 reinrassigen und gemischtrassigen Hunden. Außerdem sammelte das Team Angaben von knapp 19.000 Hundehaltern zum Wesen und Verhalten ihrer Gefährten. Die Daten bekamen die Forscherinnen und Forscher über die Plattform Darwin’s Arc, auf der Hundebesitzer freiwillig Informationen über ihre tierischen Begleiter preisgeben können. Gründerin der Plattform ist die Bioinformatikerin Elinor Karlsson, die auch als Seniorautorin an der Studie beteiligt war.

Kaum genetische Besonderheiten

Die Angaben der Hundebesitzer zeigten dem Team unter anderem, dass Verhaltensunterschiede zwischen modernen Rassen grundsätzlich nur gering ausgeprägt sind. So gab es keine einzige Verhaltensweise, die ausschließlich in einer Rasse zu finden ist. Während Labradore etwa als Hunde gelten, die nicht heulen, gaben einige Hundebesitzer dennoch an, dass ihre Tiere das sehr oft tun. Bei der Analyse der Hundegene kam das Forschungsteam außerdem zu dem Ergebnis, dass einzelne Rassen nur sehr wenige genetische Besonderheiten unterscheiden.

Hund, Mischling (Collie, Spaniel, Schäfer)
Angela Lek
Mischling mit Anteilen von Collie, Spaniel und Schäferhund

Bei der Untersuchung gab es aber trotzdem ein paar Ausnahmen. Bei einigen Verhaltensweisen, wie etwa der Tendenz zu heulen oder der Lust am Apportieren, fielen die Werte in bestimmten Fällen höher aus als beim Rest der insgesamt 78 analysierten Rassen. Huskys, Beagles oder Bluthunde heulten demnach besonders gerne, Border Collies waren besonders fügsam. Hinweise darauf, dass bestimmte Verhaltensweisen eine Folge der Züchtung der Rassen sind, fanden die Wissenschaftler nicht.

Verallgemeinerung sorgt für Probleme

In einer Konferenz, in der die Studienergebnisse präsentiert wurden, erklärte Karlsson mehrfach: „Hunde sind Individuen!“ Entsprechend müsse man sie auch behandeln. Probleme, die durch die Verallgemeinerung der Hundepersönlichkeiten entstehen, habe die Bioinformatikerin schon oft gesehen. Etwa wenn es um Gesetze rund um bestimmte Hunderassen geht. Diese seien in vielen Fällen nicht gerechtfertigt – auch Hunde, die gemeinhin als aggressiv oder gar gefährlich gelten, können sehr oft herzlich und freundlich sein.

Auch bei der Suche nach einem Haustier sorgt die Verallgemeinerung der Hunde oft für Probleme. Daher sei es wichtig, den Hund ein bisschen kennenzulernen und sich nicht nur auf Vorurteile über bestimmte Rassen zu verlassen. Das ist auch die Erfahrung der an der Studie beteiligten Hundetrainerin Marjie Alonso von der International Association of Animal Behavior Consultants. Sie erklärte bei der Konferenz: „Die Rasse wird nicht darüber entscheiden, ob wir mit einem Hund glücklich werden oder der Hund mit uns. Das Aussehen sagt einfach wenig darüber aus, wie sich der Hund verhalten wird.“