Indien, Hitze, Hitzewelle, Erderhitzung
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Extreme Hitze „anstrengend wie Bergsteigen“

Indien und Pakistan erleben derzeit eine historische Hitzewelle. Doch es sind nicht alleine die hohen Temperaturen, die bereits Dutzenden Menschen das Leben gekostet hat. Auch der Zeitpunkt der Hitzewelle und die hohe Luftverschmutzung spielen eine Rolle.

Extreme Hitze macht schon seit mehr als einer Woche Hunderten Millionen Menschen in Indien und auch in Pakistan zu schaffen. Dort sind Temperaturen über 40 Grad in einigen Regionen gar nicht so ungewöhnlich – gefährlich ist bei der momentanen Hitzewelle, die Ende April begonnen hat, aber der Zeitpunkt, so der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Meduni Wien gegenüber science.ORF.at.

„Wenn es einen so plötzlichen Wechsel von eher mäßigen auf sehr hohe Temperaturen gibt, dann ist der Organismus deutlich mehr belastet. Er kann sich nicht – wie normalerweise – langsam an den saisonalen Temperaturanstieg gewöhnen.“ Hutter schätzt, dass die Dunkelziffer der Todesfällen in Indien weitaus höher ist als die offiziellen 25 Opfer.

Was im Körper geschieht

Für den Körper sei eine Hitzewelle „so anstrengend, als wenn man ständig einen Berg hinaufgeht“, sagt der Umweltmediziner. Der Körper leitet die Temperaturerhöhung an das Gehirn weiter, um Abwehrmaßnahmen zu treffen. Die Durchblutung wird deutlich erhöht es wird und Schweiß abgegeben um zu kühlen. Das geht allerdings zulasten von zahlreichen Organen.

Vor allem das Herz wird stark belastet: Unter normalen Bedingungen transportiert es etwa 6 Liter Blut pro Minute. Ein halber Liter wird für die Durchblutung der Haut verwendet. „Unter einer höheren Belastung steigert sich die Förderleistung auf das Doppelte, auf 12 bis 13 Liter pro Minute. Und davon wird ein Großteil für die Durchblutung der Haut verwendet“, so Hutter.

Kollaps, Erschöpfung, Krämpfe

Im Prinzip sei das gesamte Herz-Kreislauf-System unter der Hitze extrem belastet, und das habe akute, aber auch langfristigen Folgen, so Hutter. „Das beginnt mit Hitzekrämpfen, weil der Körper Elektrolyte über den Schweiß verliert, und natürlich auch mit Flüssigkeitsverlust. Dann gibt es den Hitzekollaps, der entsteht, weil der Blutdruck stark abfällt und das Gehirn unterversorgt ist.“ Auch die Erschöpfung durch die Gesamtbelastung des Körpers sei ein häufig auftretendes Phänomen, vor allem auch bei Kindern.

Kopfschmerzen, Krämpfe, Erschöpfung, Blutdruckabfall, Schwindel und Übelkeit bis hin zu Angstattacken können die Folgen sein. Besonders betroffen sind Menschen ab 65, Kinder und Menschen mit Grunderkrankungen an Herz, Atemwegen oder Nieren. Doch auch für gesunde Menschen mittleren Alters sei Hitze mitunter eine tödliche Belastung.

Menschen in der Stadt besonders betroffen

Die Luftverschmutzung, die besonders in den Millionenstädten Indiens, enorm ist, hat sich durch die anhaltende Hitzewelle noch verschärft. In Neu-Delhi fing etwa eine Müllanlage Feuer. Grundsätzlich sei auch das Ozon ein wiederkehrendes Hitzeproblem, sagt Hutter. Bei intensiver, längerer Sonnen- und UV-Strahlung bilden sich sekundäre Luftschadstoffe, zu denen auch Ozon gehört. Es führt zu Beeinträchtigungen der Atemwege und auch zu vorzeitigen Sterbefällen.

In Indien sei die Situation aber speziell, denn hier verhindere die Luftverschmutzung quasi die Ozonbildung. Bei einer hohen Verunreinigung der Luft mit Partikeln komme es zu einer Reflexion der UV-Strahlung.

Kritische Phase beginnt nach drei Tagen

Städte mit starker Verunreinigung hätten daher kein Ozon-Problem, dafür aber verschiedene andere Probleme: „Wenn Sie sich die Bilder aus Delhi anschauen, dann schaut es aus, als wenn die Menschen ständig unter einer Smogglocke leben. Die partikuläre Luftverschmutzung durch diese winzigen Partikel, die von den Verbrennungsmotoren, vom Straßenverkehr, von verschiedenen Gewerbebetrieben bis hin zum Verbrennen von Holz, zustande kommt, ist schwer gesundheitsschädlich.“

Wie lange der Mensch eine Hitzewelle wie die derzeitige in Indien aushält, ist laut Hutter schwer vorherzusagen. Wer die Möglichkeit hat sich abzukühlen oder in Gebieten lebt, in denen es nachts abkühlt, sei auf jeden Fall besser dran als jene, die auf städtischen Hitzeinseln mit tropischen Nächten ausharren müssen. „Gibt es keine Möglichkeit sich abzukühlen, fordert eine solche Hitze nach drei Tagen die ersten Opfer“.