Korallenriff vor Sansibar
AFP – SUMY SADURNI
AFP – SUMY SADURNI
Naturschutz

Wie Sonnencremes Korallen vergiften

Was Menschen vor UV-Strahlen und einem Sonnenbrand schützt, hat bei Korallen genau den gegenteiligen Effekt. Ein Inhaltsstoff in vielen handelsüblichen Sonnencremes kann die bunten Meeresbewohner vergiften – besonders gefährlich ist er für bereits ausgebleichte Riffe.

Korallenriffe bereichern die Unterwasserwelt nicht nur mit ihrer bunten Farbenpracht, sie beherbergen auch eine enorme Vielfalt an Lebewesen. Die Riffe gehören so zu den artenreichsten Ökosystemen unseres Planeten – Faktoren wie etwa die steigenden Wassertemperaturen bringen sie aber immer weiter in Bedrängnis. Am Great Barrier Reef in Australien wird daher zum Beispiel die Züchtung hitzetoleranter Korallen erforscht, damit die bunten Meeresbewohner besser mit der Klimaerwärmung fertigwerden.

Sonnencremes schädigen Ökosystem

Dass aber nicht nur die steigenden Temperaturen, sondern auch die Strandbesucher und Taucher einen direkten negativen Einfluss auf die Riffe haben, zeigen nun Expertinnen und Experten in einer aktuellen Studie im Fachjournal „Science“ auf. Darin hat das Team um den Doktoranden Djordje Vuckovic von der US-amerikanischen Stanford Universität Oxybenzon, einen organischen Inhaltsstoff in vielen Sonnencremes, näher unter die Lupe genommen.

Der Verdacht, dass bestimmte Inhaltsstoffe von Sonnencremes Korallen schädigen können, besteht schon seit längerem. So sind etwa Produkte, die Oxybenzon enthalten, in einigen Gegenden bereits von den Stränden verbannt worden – etwa in Hawaii, der Inselnation Palau und auf Bonaire. „Man wusste zwar bereits, dass Oxybenzon schädlich für Korallen ist, wie es sich aber konkret auf die Tiere auswirkt, war bisher noch kaum erforscht“, erklärt der Seniorautor der Studie, William Mitch, gegenüber science.ORF.at.

UV-Filter gefährdet Korallen

Das Forscherteam führte daher Experimente im Labor durch, um den potentiell gefährlichen Inhaltsstoff, der in Sonnencremes vor allem aufgrund seiner Eigenschaft als UV-Filter verwendet wird, genauer zu untersuchen. „Wir nutzten dafür hauptsächlich Seeanemonen als Ersatz für Korallen, weil sie besser mit den Bedingungen im Labor zurechtkommen“, erklärt auch Vuckovic gegenüber science.ORF.at. Vereinzelte Experimente führte das Team aber auch an Korallen-Exemplaren durch.

Im Rahmen der Untersuchung versorgten die Forscher die Meeresbewohner einige Zeit lang mit Oxybenzon und Sonnenlicht. Das führte dazu, dass alle Anemonen innerhalb von 17 Tagen abstarben. Zum Vergleich: Jene Anemonen, die zwar Kontakt mit Oxybenzon hatten, danach aber kein Sonnenlicht bekamen, blieben am Leben.

Schutz für den Menschen, Gift für Korallen

Oxybenzon wird häufig in chemischen Sonnencremes verwendet, weil es ultraviolettes Licht absorbiert und die dadurch aufgenommene Energie als Wärme wieder abgibt. So verhindert der Inhaltsstoff, dass wir einen Sonnenbrand bekommen.

Anders sieht das aber bei den Korallenriffen aus. In den Anemonen und Korallen wird Oxybenzon laut den Expertinnen und Experten so verstoffwechselt, dass dadurch ein starkes Phototoxin entsteht, das unter Einwirkungen von Sonnenlicht eine vergiftende Wirkung auslöst. „Oxybenzol hat bei Anemonen und Korallen also genau den gegenteiligen Effekt, wie bei uns Menschen“, so Vuckovic. Anstatt sie vor den UV-Strahlen zu schützen, werden sie vom Sonnenlicht vergiftet.

Bereits geschwächte Riffe besonders anfällig

Die Fachleute fanden im Rahmen der Experimente auch Hinweise darauf, dass sich Korallen eigentlich vor der giftigen Wirkung von Oxybenzon schützen können. Das gelingt ihnen, indem die Algen, mit denen sie zusammenleben, den verstoffwechselten Inhaltsstoff aufnehmen und so die giftige Wirkung von den Korallen fernhalten.

Das Problem: „Die Zahl der Korallenriffe, in denen es diese Algen nicht mehr gibt, nimmt zu“, erklärt Mitch. Wenn die Meeresbewohner geschwächt sind oder nicht mit den steigenden Wassertemperaturen fertigwerden, stoßen sie die Algen ab – das führt zu einer sogenannten Korallenbleiche. Die Korallenstöcke verlieren dabei nicht nur ihre Farbe, auch die Schutzmechanismen durch die Algen fallen weg.

Die Suche nach riffsicherem Sonnenschutz

Vuckovic spricht von einer „traurigen Ironie“, denn gerade jene Personen, die die Korallenriffe besichtigen möchten, tragen mit ihren Sonnencremes oft zu deren Absterben bei. Das Ergebnis der Studie sei daher ein wichtiger Baustein hin zu der Entwicklung tatsächlich riffsicherer Sonnencremes.

Bis dahin seien aber noch einige Untersuchungen nötig, erklärt der Doktorand. Neben Oxybenzon gäbe es noch einige weitere Inhaltsstoffe handelsüblicher chemischer Sonnencremes, die laut den Forscherinnen und Forschern eine große Ähnlichkeit zu Oxybenzon aufweisen und daher gefährlich für Korallenriffe sein könnten.

Auch die Sicherheit von mineralbasierten Sonnencremes mit zum Beispiel Zink sei bisher noch nicht wissenschaftlich bestätigt, so Vuckovic. Diese wirken zwar komplett anders als chemische Sonnencremes mit Oxybenzon, wie sich die darin enthaltenen Inhaltsstoffe aber tatsächlich auf die Korallen und andere Riffbewohner auswirken, müsse ebenso erst noch genauer erforscht werden.