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Rückenschmerzen

Schmerzmittel können Beschwerden verlängern

Rückenschmerzen sind weit verbreitet und viele Betroffene suchen schnelle Abhilfe in Form von Tabletten. Eine neue Studie zeigt nun, dass die Wahl des Schmerzmittels entscheidend dafür sein kann, ob die Rückenschmerzen wieder verschwinden – oder letztendlich chronisch werden.

Fast jeder und jede Erwachsene „hat es“ irgendwann einmal „im Rücken“. Begünstigt vom täglichen stundenlangen Verharren in wenig vorteilhaften Sitzpositionen am Arbeitsplatz, ist es meist der untere Rücken, der von plötzlich auftretenden akuten Schmerzen betroffen ist. In der Studie wurde untersucht, welche Folgen die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln für den langfristigen Verlauf von Rückenschmerzen haben kann. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.

In der Schmerzforschung war bisher wenig darüber bekannt, warum Schmerzen bei einigen Patienten und Patientinnen bald wieder verschwinden, während sie bei anderen dauerhaft bleiben. Laut dem Forschungsteam um den Bioinformatiker Marc Parisien von der kanadischen McGill Universität könnte die Wahl des Schmerzmittels in dieser Frage eine große Rolle spielen. Denn: Viele der handelsüblichen Medikamente haben neben ihrer schmerzstillenden auch eine entzündungshemmende Wirkung. Gerade Entzündungen könnten aber verhindern, dass akute zu chronischen Schmerzen werden.

Ibuprofen vs. Paracetamol

Die Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen langanhaltenden Schmerzen und der wochenlangen Anwendung von nichtsteroidalen Antirheumatika, kurz NSAR. Diese Schmerzmittel werden wegen ihrer entzündungshemmenden Wirkung auch in der Rheumatherapie eingesetzt. Zu NSAR zählen u. a. die Wirkstoffe Ibuprofen und Acetylsalicylsäure. Diese gehören zu den bekanntesten Mitteln gegen leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber und Entzündungen, und zu den meistgekauften Medikamenten zur rezeptfreien Schmerzbehandlung.

Das Ergebnis der Untersuchung: Jene Probandinnen und Probanden, die dauerhaft Schmerzmittel mit entzündungshemmender Wirkung einnahmen, hatten ein höheres Risiko für chronische Schmerzen als jene die zu einem Schmerzmittel ohne entzündungshemmende Wirkung griffen – Paracetamol etwa, das ebenso rezeptfrei zur Behandlung von leichten bis mäßig starken Schmerzen und Fieber zugelassen ist, nicht aber gegen Entzündungen wirkt.

1,76-fach höheres Risiko für chronische Schmerzen

Das Forschungsteam beobachtete 98 Patientinnen und Patienten mit akuten Rückenschmerzen drei Monate lang. Bei einem Teil verschwanden die Schmerzen nach drei Monaten, bei einem Teil hielten sie an. Beim Vergleich der Daten dieser beiden Gruppen stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass die Patientinnen und Patienten der ersten Gruppe hochaktive Entzündungsreaktionen gezeigt hatten.

Angetrieben wurden diese Entzündungsreaktionen von Neutrophilen – Immunzellen, deren Hauptaufgabe die Abwehr von Krankheitserregern ist. Neutrophile stellen zudem den größten Anteil der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten, dar. Ihre Hauptaufgabe ist die Abwehr von Krankheitserregern. Die Daten zeigten, dass Probandinnen und Probanden, die NSAR gegen die akuten Rückenschmerzen einnahmen, ein 1,76-fach höheres Risiko für chronische Schmerzen hatten – im Vergleich zu jenen, die beispielsweise zu Medikamenten mit dem Wirkstoff Paracetamol griffen.

„Nützliche Entzündung“

Werden die von Neutrophilen angetriebenen Entzündungsprozesse während der akuten Schmerzen blockiert, steige das Risiko für eine chronische Entwicklung der Schmerzen, so das Forschungsteam, das den Vorgang als „nützliche Entzündung“ bezeichnet. „Entzündungen werden oft als krankhafte Vorgänge im Körper betrachtet. Sieht man sich aber die Daten an, so zeigt sich das Gegenteil: Es ist ein aktiver Anpassungsprozess, der im Körper stattfindet. Bleibt er aus, sind chronische Schmerzen die Folge“, so Mitautorin und Schmerzforscherin Luda Diatchenko von der McGill Universität.

Wie die Mechanismen, die hinter dem Übergang von akuten zu chronische Schmerzen stehen, genau ablaufen, müsse noch geklärt werden, so die Studienautorinnen und -autoren. Und auch eine klinische Studie sei erforderlich, um das Studienergebnis zu überprüfen. Die aktuelle Untersuchung sei jedenfalls von großer Bedeutung für die Vorbeugung und Therapie von chronischen Rückenschmerzen. Diese seien die am häufigsten gemeldete Form chronischer Schmerzen und führen jedes Jahr zu hohen wirtschaftlichen und medizinischen Kosten. Das Mittel der Wahl seien bisher meist Medikamente, die zu den NSAR gezählt werden; und diese seien – wie die Studie zeigt – weit weniger hilfreich als vermutet.