Als Diplomat gilt, wer im institutionellen Rahmen dazwischen geht und zwischen Staaten, Blöcken, Kulturen und Konfessionen Kommunikation herstellt. Ausgehend von den Boten der Antike und den Herolden des Mittelalters tun Diplomaten das bis heute als residierende Botschafter im Ausland, als Unterhändler anlassbezogener Missionen oder als Mitglieder multilateraler Konferenzen und Institutionen wie der UNO oder der OSZE.

Über den Autor
Clemens Peck ist Literatur- und Kulturwissenschaftler. Er lehrt und forscht an der Universität Salzburg.
Tagung
Vom 18.-20. Mai findet die Tagung „Verhandlungskunst. Praktiken der Diplomatie in der Literatur und den Künste“ statt, organisiert vom IFK und der Diplomatischen Akademie Wien.
Waren freundschaftliche Treffen und Gespräche zwischen Fürsten noch in der Renaissance an der Tagesordnung, gelten diese direkten Gespräche im 17. Jahrhundert zunehmend als zwecklos und gefährlich, wie der spanische Diplomat und Verhandler am Westfälischen Friedenskongress Diego de Saavedra Fajardo festhält: Aus der „fürstlichen Zusammenkunft“ resultiere „ein immerwährender Krieg“, in welchem nur um Titel und Vorzug gestritten werde.
Im Zeitalter des absolutistischen Souveränitätsdenkens und des Aufkommens neuer Territorialmächte nach dem Dreißigjährigen Krieg steigt deshalb der Bedarf an diplomatischem Personal. Die Folge ist nicht nur ein dichtes Netz an residierenden Botschaftern und Unterhändlern, sondern mit der Institutionalisierung von Friedenskongressen (vom Westfälischen Friedenskongress bis zum Wiener Kongress von 1814/15) auch ein neues Bewusstsein und Berufsethos, mit einem breiten Spektrum an Tätigkeitsfeldern.
Theatralisierung der Welt
Die Diplomatie erfährt in der Frühen Neuzeit einen entscheidenden Professionalisierungsschub. Dies hat ganz wesentlich damit zu tun, dass das absolutistische Selbstverständnis zwischen Versailles und Wien zu dieser Zeit ergänzt wird durch das Programm einer umfassenden Theatralisierung der Welt. Diese höfische Antwort auf das Paradox eines gottbestimmten Souveräns in einer zunehmend säkularen Welt verknüpft die Sphäre der diplomatischen Vermittlungsfiguren mit der Welt der Künstler und Gelehrten. Gerade das Theater erweist sich dabei als Spiegel der internationalen Beziehungen: Vom Elisabethanischen Theater Shakespeares über das barocke Trauerspiel bis zur „Maria Stuart“ Schillers oder „Iphigenie auf Tauris“ Goethes finden sich vielfältige Auseinandersetzungen mit der völkerrechtlichen Zerbrechlichkeit im Zeitalter der Souveränität.

Vor allem aber waren die Dichter, Maler, Komponisten, Schauspieler, Tänzer etc. maßgeblich an den höfischen Ästhetisierungsprogrammen beteiligt. Anlass für Ballett-, Theater- und Opernaufführungen waren häufig diplomatische Empfänge oder Friedenskongresse. Aufwändige Architektur und Mobiliar übernehmen zudem wichtige Funktionen im diplomatischen Zeremoniell, während Kunstobjekte der Diplomatie als höchst effektive Geschenke und zum Gabentausch dienen. Die Übergänge zwischen Zeremoniell, Festkultur und künstlerischer Praxis waren dabei ebenso fließend wie jene zwischen der internationalen Gemeinschaft der Diplomaten und der sogenannten Gelehrtenrepublik. Bis in die Gegenwart hat der Begriff der kulturellen Diplomatie in den internationalen Beziehungen Bedeutung: Er hat zum Ziel die Popularisierung kultureller Güter als Teil der diplomatischen Mission.
Der Götterbote als Kunst- und Reflexionsfigur
Die Verbindungen zwischen den Tätigkeitsfeldern der Diplomatie und den Künsten sind vielfältig. Eine wechselseitige Betrachtung dieser Verbindungen aus kulturwissenschaftlicher Perspektive eröffnet Einblicke nicht nur in die politisch-zeremoniellen Resonanzen von Kunst und Literatur, sondern auch in die Ästhetik und den medialen Charakter der Diplomatie.
Zum Sinnbild dieses Charakters wurde die Figur des Hermes bzw. in der römischen Überlieferung: Merkur. Der bereits in Vergils Aeneis auftretende Götterbote gilt seit der Frühen Neuzeit eben nicht nur als Schutzpatron der Kaufleute, Redner und Übersetzer, sondern auch der Ambassadeure, Botschafter und Verhandler – ein beispielhafter Dazwischengeher, Vermittler und Träger von Botschaften. Stets mit dem Hermesstab, den zwei Schlangen zieren, und einem geflügelten Helm ausgestattet, findet er sich auf Flugblättern, Kupferstichen und Porträts insbesondere zu Friedensschlüssen ebenso wie im Ballett oder auf europäischen Theaterbühnen.

Mit Blick auf seine Zuständigkeiten zeigt sich Merkur aber auch als Figur des Dritten, welcher grundsätzliche Eigenheiten von Medien eingeschrieben sind: Wahrt der Bote seinen neutralen Status im Dazwischen oder geriert er sich als Manipulator in eigener Sache – und wenn ja: nach welcher Seite? Allein dieser Status macht die Figur verdächtig: Wie Übersetzer gerne des Betrugs beschuldigt werden („traduttore, traditore“), stehen Diplomaten unter latentem Spionageverdacht. Die historischen Fälle von Spionage und Spionagevorwurf, aber auch die völkerrechtliche Absicherung der Immunität von Diplomaten haben damit zu tun.
Zeremoniell, Protokoll und Techniken der Übereinkunft
Die steigende Bedeutung der Diplomatie und ihrer Tätigkeitsfelder hatte großen Anteil an der Verbreitung des Zeremoniells und höflich-galanten Verhaltens. Ziel war es dabei, eine nach Rangfolge und Anlass abgemessene und normierte Befriedung potentieller Konfliktfelder im politischen Leben zu gewährleisten und überhaupt erst die Möglichkeit zum Austausch zu schaffen. Damit in Zusammenhang stehen die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gültigen Verhaltenslehrbücher, Briefsteller und Zeremonialhandbücher. Durch die zunehmend verbindlichen bi- und multilateralen Rechtsstrukturen im 19. Jahrhundert verlieren Zeremoniell und Verhaltenslehren im diplomatischen Austausch an Bedeutung bzw. werden durch das nüchterne Protokoll ersetzt.
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Mit der Verflachung des Zeremoniells setzt zugleich eine Privatisierung von Zeremoniell, Rhetorik und Verhaltenslehre ein: Beratung, Verhandlung und Mediation finden sich als soziale Praktiken des Alltags in einer zunehmend ökonomisierten und konfliktträchtigen Welt wieder. Der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett versucht in seinem 2012 erschienenen Buch „Zusammenarbeit“ daraus neue Tugenden der „Alltagsdiplomatie“ abzuleiten, als Kommunikationsmöglichkeit, „wie Menschen mit Menschen umgehen, die sie nicht verstehen, zu denen sie keine Beziehung haben oder mit denen sie im Konflikt leben“.
Beispiel gewaltfreier Politik
Ausgehend von der Ohnmacht gegenüber dem aktuellen Kriegsgeschehen in der Ukraine lohnt ein Blick auf intellektuelle und künstlerische Einsätze der Diplomatie aus den europäischen Krisenjahren der Zwischenkriegszeit. Der später auf der Flucht vor dem nationalsozialistischen Terrorregime verstorbene Kulturtheoretiker Walter Benjamin hat die Diplomatie Anfang der 1920er Jahre trotz ihres bisweilen schlechten Rufs in seinem Aufsatz „Zur Kritik der Gewalt“ als Beispiel gewaltfreier und ausverhandelnder Politik angeführt.
Diese zeichne sich, so Benjamin, durch Mittel aus, „die niemals solche unmittelbarer, sondern stets mittelbarer Lösungen“ sein können. Den nationalistischen Absolutheitsansprüchen stehen so die (oft mühsamen) „Techniken der Übereinkunft“ gegenüber. Dass es am Beginn solcher Verhandlungen zunächst wenig Übereinkunft, ja nicht einmal einen Waffenstillstand braucht, zeigt etwa der Westfälische Frieden, der mehrfach in der Geschichte als friedensermöglichende Blaupause gedient hat und auch zuletzt wieder für den Syrien-Krieg diskutiert wurde.