Gesundheit

Zahl der Affenpocken-Fälle steigt weiter an

Immer mehr Länder berichten von Fällen von Affenpocken, am Freitag ist auch in Deutschland der erste Fall bestätigt worden. Auch Frankreich meldete einen ersten Fall, zudem wurde das Virus in Australien und damit einer weiteren Weltregion entdeckt – erste Experten sprechen bereits von einer Epidemie.

In welchem Umfang sich der aus Afrika stammende Erreger bereits international verbreitet hat, ist offen. Er gehe bei der Vielzahl von Fällen davon aus, dass das Virus schon seit einer Weile unbemerkt im Umlauf war, sagte der Mediziner Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Infektionen.

In einigen europäischen Ländern

In Spanien sind nach einem Medienbericht inzwischen 30 Fälle bestätigt. Zudem gebe es 23 Verdachtsfälle, berichtete die Zeitung „La Vanguardia“ am Freitag unter Berufung auf das Gesundheitsministerium. In Portugal sind nach Angaben der Zeitung „Publico“ 23 Fälle bestätigt. In Frankreich ist Behördenangaben zufolge ein 29-Jähriger im Großraum Paris betroffen, der zuvor nicht in ein Land gereist war, in dem das Virus zirkuliert.

In Australien wurde der Erreger bei einem etwa 30 Jahre alten Mann bestätigt, der kürzlich aus Großbritannien zurückgekehrt war, wie es von der zuständigen Gesundheitsbehörde hieß. In Großbritannien stieg die Zahl erfasster Fälle unterdessen von neun auf 20, wie der britische Gesundheitsminister Sajid Javid am Freitag mitteilte. Das Land hat Pockenimpfstoff eingekauft – wie viel und wer damit geimpft werden soll, ist noch unklar.

In Österreich ist bisher kein Affenpocken-Fall gemeldet worden. Die Gesundheitsbehörden bereiten sich aber vor: Das Contact-Tracing soll im Fall des Falles mit Anfang kommender Woche startklar sein.

Vor allem Männer betroffen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte zu einer rigorosen Nachverfolgung aller Kontakte von Betroffenen aufgerufen. Kliniken und Bevölkerung müssten für die Symptome sensibilisiert werden. Ein Großteil oder womöglich sogar alle Fälle bisher betreffen Männer, vielfach hatten sie den Angaben zufolge sexuelle Kontakte zu Männern.

Am stärksten gefährdet für eine Ansteckung sind laut Brockmeyer Menschen, die sexuelle Kontakte zu vielen verschiedenen Menschen haben. Die Deutsche Aidshilfe warnte angesichts der Fälle bei schwulen Männern vor falschen Schlussfolgerungen und Stigmatisierungen. „Natürlich gibt es bei den Affenpocken oberflächliche Ähnlichkeiten zu HIV damals – es ist wieder eine Erkrankung aus Afrika, die auch schwule Männer betrifft. Aber in vielen anderen Punkten passt der Vergleich nicht“, sagte Aidshilfe-Sprecher Holger Wicht.

Erinnert an HIV – heilt aber aus

Das Virus, das die Affenpocken auslöst, sei im Unterschied zu HIV in den 1980er Jahren schon länger bekannt, zudem heile die Erkrankung von selbst aus. „Uns ist sehr wichtig, dass hier nicht Panik und unangemessene Ängste entstehen.“ Es gebe bei der Einschätzung der Krankheitsschwere noch Ungewissheiten – etwa darüber, wie gut Immungeschwächte – dazu können zum Beispiel auch langjährig unbehandelte HIV-Infizierte zählen – die Erkrankung verkraften.

Die Krankheit trägt den Namen Affenpocken, nachdem der Erreger 1958 erstmals bei Affen in einem dänischen Labor nachgewiesen wurde. Fachleute vermuten, dass das Virus eigentlich in Hörnchen und Nagetieren zirkuliert, Affen und Menschen gelten als Fehlwirte.

Meist nur milde Symptome

Gesundheitsbehörden zufolge verursacht das Virus meist nur milde Symptome, kann aber auch schwere Verläufe nach sich ziehen. In Einzelfällen sind tödliche Erkrankungen möglich. Übertragen wird das Virus vor allem über direkten Kontakt oder Kontakt zu kontaminierten Materialien, auch eine – wohl sehr seltene – Übertragung über Tröpfchen in der Luft ist auf kürzere Distanzen möglich.

„Bereits Epidemie“

Der Infektiologe der Berliner Charite Leif Sander sieht mit den inzwischen deutlich über 100 Fällen weltweit, in denen der Verdacht auf Affenpocken vorliege oder bereits bestätigt sei, eine ungewöhnlich dynamische Situation. „Bei der langen Inkubationszeit rechne ich mit einer weiteren deutlichen Zunahme der Fälle“, schrieb er bei Twitter. Zu beachten sei dabei, dass Affenpocken nicht so ansteckend seien, dass mit einer breitflächigen Ausbreitung wie bei CoV zu rechnen sei. „Es ist sehr ernst zu nehmen, aber wir sind vorbereitet.“

Mit der zu beobachtenden Häufung handle es sich bereits um eine Epidemie – es sei jedoch „sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird“, sagte Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz Institute for One Health (HIOH) in Greifswald und Leiter der Projektgruppe Epidemiologie hochpathogener Erreger am Robert Koch-Institut (RKI). Die Fälle seien über Kontaktverfolgung gut einzugrenzen, und es gebe Medikamente sowie wirksame Impfstoffe, die eingesetzt werden könnten.

Dringend nötig seien mehr Daten, um verstehen zu können, ob und wie die erfassten Fälle zusammenhängen, so Leendertz. Wichtig sei auch die Entzifferung des Erbgutes von Virenmaterial aus Proben von Betroffenen, um zu prüfen, ob sich der Erreger verändert hat – etwa in Richtung besserer Übertragbarkeit.