Fischfang auf einem Fischerboot
AFP/GLYN KIRK
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Globalisierung

Fischerei verstärkt Mangelernährung

Fisch ist ein besonders gesundes und nährstoffreiches Lebensmittel. Wie eine neue Studie zeigt, führen die Fischerei in fremden Gewässern und der internationalen Fischhandel allerdings zu einer ungerechten Verteilung der wertvollen Inhaltsstoffe. Besonders zu spüren bekommen das Länder, in denen viele Menschen ohnehin mangelhaft ernährt sind.

Eigentlich gäbe es genug Nahrung, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Durch die ungleiche globale Verteilung von Lebensmitteln, leiden aber immer noch mehr als 800 Millionen Menschen an Hunger und etwa zwei Milliarden an Mangelernährung (Unicef-Bericht 2021). Denn nicht nur die absoluten Mengen sind ungleich verteilt, sondern auch manche lebensnotwendigen Nährstoffe. Die Folgen sind Krankheiten und vorzeitige Todesfälle.

Ein besonders drastisches Beispiel für die globale Schieflage haben die Forscherinnen und Forscher um Christina Hicks von der Lancaster University nun genauer analysiert: die Fischerei.

Wertvolle Inhaltsstoffe

Fisch ist extrem gesund, er enthält viele Mikronährstoffe und essenzielle Fettsäuren. Eine ausreichende Versorgung damit könnte etwa die Müttersterblichkeit und Entwicklungsverzögerung in vielen Ländern reduzieren, schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrer soeben in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie.

Red Snapper Markt in London
James Robinson
Nährstoffreicher Fisch ist nicht überall gleichermaßen verfügbar: exotische Fisch auf einem Londoner Markt

Dass der internationale Fischhandel und das durch internationale Abkommen geregelte Fischen in fremden Gewässern zu einer ungerechten Verteilung von Fisch und den damit verbundenen Einkünften führt, sei bereits viel diskutiert und kritisiert worden. Was das für die Nährstoffversorgung der lokalen Bevölkerung bedeutet, sei hingegen noch kaum beachtet worden. Das Team hat den globalen Fischfang nun in dieser Hinsicht genauer unter die Lupe genommen und unter anderem analysiert, welche Mengen an Eisen, Kalzium, Selen, Zink, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin A und Proteine insgesamt verfügbar sind und welche Länder am meisten davon profitieren.

Handel und Fangabkommen

Laut der Studie profitieren mehr als 60 Prozent aller Länder bei der Nährstoffversorgung vom internationalen Fischhandel. Das größte Plus erzielen dabei Nigeria, Frankreich, Japan und Italien. Etwa ein Drittel aller Nationen verlieren jedoch Nährstoffe, darunter so prominente Vertreter wie China und Russland, die beide sehr viel Fisch exportieren. Die Hälfte der Nettoverlierer seien aber kleine Inselstaaten und afrikanische Nationen, wie die Malediven und Namibia.

Mehr noch als der Handel verstärken Fischfangabkommen – die es etwa der EU erlauben, vor der westafrikanischen Küste zu fischen – die Ungleichverteilung, schreiben die Autorinnen: Durch das Fischen in fremden Gewässern werden eineinhalb Mal so viele Nährstoffe global verschoben wie durch den internationale Fischhandel. Insgesamt verlieren dadurch mehr als 30 Prozent aller Länder einen erheblichen Anteil an gesunden Inhaltstoffen.

Darunter befinden sich einerseits so reiche Länder wie Norwegen oder Großbritannien – wie wichtig die Fischgründe an der britischen Küste für andere Nationen sind, hat zuletzt der heftige Streit zwischen Frankreich und Großbritannien rund um den Brexit deutlich gemacht. Beide Länder sind dennoch ausreichend versorgt. In den nördlichen Meeren gibt es vergleichsweise noch recht große Fischbestände.

Fischer in Regenkleidung auf einem Fischerboot mit Netzen
BEN STANSALL/AFP
Die Fischerei ist ein globales Geschäft

Härter trifft der Verlust an Nährstoffen durch den verlagerten Fischfang aber erneut kleine Inselstaaten und afrikanische Nationen, betonen die Forscherinnen und Forscher. Am meisten vom Fischen in anderen Regionen profitieren reiche Länder, in denen viele Fisch gegessen wird, z.B. Japan, China und Südkorea.

Nährstoffbezogene Fangrechte

Insgesamt zeigen die Ergebnisse, wie sehr der internationale Fischmarkt und problematische Fangabkommen die Ernährungsunsicherheit in vielen Ländern zusätzlich verstärken. „Wenn man die nährwertbezogenen Unterschiede zwischen Fischarten und das Nährstoffbedürfnisse von Ländern berücksichtigt, zeigt sich, dass fremde Fischflotten – zusätzlich verstärkt durch den internationalen Handel – die Ernährungssicherheit und die Gerechtigkeit untergraben“, meint dazu die Erstautorin Kirsty Nash von der University of Tasmania in einer Aussendung.

„Die globale Fischerei sowie der Fischhandel sollten dringend besser abgestimmt werden, um sicherzustellen, dass die Nährstoffe auch jene Menschen erreichen, die mangelhaft ernährt sind und die sie am meisten brauchen.“

Wie die Forscherinnen und Forscher im Rahmen der Studie auch berechnet haben, könnte sich der Trend – ohne neue Regulierungen – weiter verstärken, sodass in Zukunft auch Länder, die heute noch recht gut mit Nährstoffen versorgt sind, betroffen wären. Durch die Erderwärmung werden die Fischbestände außerdem weiter zurückgehen, betonen die Autorinnen. Dann wird der Nährstoffmangel noch weitere Regionen erreichen, etwa tropische Länder wie Guyana und kleine Inselstaaten wie Papua-Neuguinea.