Genom, Pompeji, Casa del Fabbro
Notizie degli Scavi di Antichità, 1934, p. 286, fig. 10.
Notizie degli Scavi di Antichità, 1934, p. 286, fig. 10.
Genetik

Erbgut aus Pompeji komplett entschlüsselt

Einem Forschungsteam ist es zum ersten Mal gelungen, das komplette Erbgut eines Verstorbenen aus der antiken Stadt Pompeji in Italien zu analysieren. Vor dem Ausbruch des Vesuvs litt dieser wahrscheinlich an einer Infektionskrankheit. Und er war mit Menschen der Insel Sardinien verwandt.

Das im Jahr 79 n. Chr. vom Vesuv verschüttete Pompeji ist eine der bekanntesten Ausgrabungsstätten der Welt. Die Stadt sei für die Wissenschaft als archäologische Zeitkapsel besonders interessant, erklärt der Genetiker Gabriele Scorrano von den Universitäten Rom und Kopenhagen gegenüber science.ORF.at: „Wir haben die Möglichkeit, in Pompeji einen Einblick in ein bestimmtes Zeitfenster der menschlichen Geschichte zu bekommen, da wir genau wissen, wann der Vesuv ausgebrochen ist.“

Außerdem seien die verschütteten Gebäude und die Überreste der Bewohnerinnen und Bewohner zum Teil noch in einem sehr guten Zustand, da sie durch die Vulkanasche unter anderem vor Sauerstoff geschützt waren.

Chromosomale DNA aus Pompeji

Bisher konnten Forscherinnen und Forscher lediglich kurze Abschnitte aus dem Erbgut der Bewohnerinnen und Bewohner von Pompeji sequenzieren. Dazu nutzten sie aufgrund technischer Einschränkungen meist Erbmaterial aus den Mitochondrien der Verstorbenen. Üblicherweise wird das vollständige Genom aber anhand der DNA aus Chromosomen untersucht.

Dass auch chromosomale DNA der Menschen aus Pompeji analysiert werden kann, hat nun Scorrano mit einem internationalen Forschungsteam bewiesen. Möglich war das laut dem italienischen Genetiker nur durch den gut erhaltenen Zustand der Proben. Das Ergebnis präsentieren die Expertinnen und Experten derzeit im Fachjournal „Scientific Reports“.

Verstorbene in „Handwerkerhaus“

Konkret sahen sie sich das Erbgut von zwei Verstorbenen aus der sogenannten “Casa del fabbro“ (dt. „Haus des Handwerkers“) an. Die Forschungsgruppe nutzte dafür Teile des Felsenbeins, einem Knochen im Inneren des Schädels. Eine der Personen wurde in langgestreckter Haltung, die andere zusammengekauert gefunden. Aufgrund einiger Merkmale an den Knochen wurde bereits seit einiger Zeit vermutet, dass es sich um einen Mann und eine Frau handelte.

Genom, Pompeji, Casa del Fabbro
Notizie degli Scavi di Antichità, 1934, p. 286, fig. 10.

Durch eine genauere Analyse des Erbguts und die erste komplette Sequenzierung des Humangenoms eines Bewohners von Pompeji, konnte das Forschungsteam nun endgültig klären, dass es sich bei den Verschütteten um Personen unterschiedlichen Geschlechts handelt. Der Mann war circa 35 bis 40 Jahre alt, die Frau über 50. Beide Personen waren durchschnittlich groß.

Verwandtschaft auf Sardinien

Für die vollständige Sequenzierung des Erbguts konnten die Fachleute letztendlich nur Proben des männlichen Verstorbenen nutzen. Die DNA der Frau war dafür wegen zu vieler Lücken nicht geeignet. Sie verglichen die Daten anschließend mit dem Erbgut von mehr als tausend Menschen aus vergangenen Epochen und knapp 500 Personen, die heute im Westen Eurasiens leben. Dabei fanden sie Hinweise darauf, dass der Mann aus Pompeji Verwandtschaft auf der italienischen Insel Sardinien hatte.

Laut Scorrano sei das grundsätzlich nicht sehr überraschend. Interessant sei aber, dass die Gengruppen von Sardinien bei anderen Menschen der damaligen Zeit, die am Festland des heutigen Italiens lebten, nicht vorkamen. Für den italienischen Forscher ist das ein klarer Hinweis, dass es auch in Städten wie Pompeji eine gewisse Diversität unter den Einwohnerinnen und Einwohnern gab.

Hinweise auf Infektionskrankheit

Neben dem Erbgut nahmen die Expertinnen und Experten auch die Knochen des Mannes aus Pompeji näher unter die Lupe. Dabei fiel ihnen auf, dass er ein Problem mit einem seiner Wirbel hatte. Außerdem fanden sie auch Erbgutsequenzen von Mykobakterien, die gemeinhin als Krankheitserreger für Tuberkulose oder Lepra gelten.

Ob der Mann aus Pompeji tatsächlich an einer der Krankheiten litt, sei heute kaum noch exakt zu bestimmen, so Scorrano. Da bei Tuberkulose aber auch Bandscheiben und Wirbel angegriffen werden, könnte auch der Verstorbene daran gelitten haben.

Besseres Verständnis sozialer Gefüge

Die Ergebnisse der Untersuchung seien laut Scorrano sehr interessant, um zum Beispiel mehr über die damalige Gesellschaft zu erfahren: „Die Bevölkerung genauer zu erforschen, kann auch dabei helfen, die sozialen Gefüge in Pompeji und dem ganzen römischen Reich besser zu verstehen.“

Neben einem genaueren Einblick in vergangene Kulturen zeige das Ergebnis der Untersuchung auch, wie weit die Technik in den letzten Jahren vorangeschritten ist. In Zukunft erhofft sich der italienische Genetiker daher zahlreiche weitere Erkenntnisse zum Ergut der Menschen aus unterschiedlichen Epochen.