Eingefärbter, gleichmäßiger Herzschlag
jeremyculpdesign – stock.adobe.com
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Pandemie

Weltweit schlechtere Versorgung von Herzpatienten

Die Pandemie hat Folgen für Gesundheitssysteme weltweit gehabt. Was das konkret für Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen bedeutete, wurde nun in einer großen Metastudie untersucht: Betroffene erhielten etwa über eine Stunde später medizinische Hilfe nach einem Herzinfarkt.

Gesundheitssysteme auf der ganzen Welt standen aufgrund der Coronavirus-Pandemie „unter extremen Druck“, so die Studienautorinnen und -autoren. Viele Menschen hatten zudem Angst sich im Krankenhaus mit Covid-19 zu infizieren. Diese beiden Faktoren führten dazu, dass Patientinnen und Patienten mit Herzinfarkt oder Herzversagen oft nicht ins Krankenhaus gebracht wurden oder dort nicht aufgenommen werden konnten. Die Zahl jener, die zu Hause an Herzerkrankungen starben, stieg infolgedessen.

Diese „weltweiten Kollateralschäden“ werden noch mehrere Jahre nachwirken, schreibt das internationale Forschungsteam aus Ärzten und Datenwissenschaftlerinnen unter der Leitung der englischen Universität Leeds. Es analysierte Daten aus 189 einzelnen Forschungsarbeiten, die sich mit den Auswirkungen von Covid-19 auf die Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen aus 48 Ländern auf sechs Kontinenten befassten. Die Studie wurde nun im Fachmagazin „European Heart Journal“ veröffentlicht.

69 Minuten längere Wartezeit

Die wichtigsten Ergebnisse der Metastudie: Im Durchschnitt dauerte es 69 Minuten länger, bis Betroffene bei einem schweren Herzinfarkt nach dem Beginn erster Symptome medizinische Hilfe erhielten. Weltweit verzeichneten Krankenhäuser zudem einen Rückgang von 22 Prozent an Patientinnen und Patienten mit schwerem Herzinfarkt, bei dem eine das Herz versorgende Arterie vollständig blockiert ist.

Bei Personen, die einen weniger schweren Herzinfarkt erlitten, bei der eine Arterie nur teilweise blockiert ist, gab es einen Rückgang von 34 Prozent. Nicht weil es weniger Herzinfarkte gegeben habe, betont das Forschungsteam, sondern weil weniger Menschen zur Behandlung ins Krankenhaus kamen. Dieser Rückgang sei weltweit beobachtet worden – in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen war er jedoch am höchsten.

Weltweit wurden von Dezember 2019 bis Dezember 2021 außerdem gut ein Drittel weniger Herzoperationen durchgeführt. Und es wurden nur etwas mehr als halb so viele Herzschrittmacher und ähnliche Geräte zur Kontrolle abnormaler Herzrhythmen, eingesetzt als im Vergleichszeitraum vor der Pandemie.

Medikamente statt Eingriffe in ärmeren Ländern

Obwohl die vom Forschungsteam analysierten Probleme weltweit auftraten, verschärften sie sich in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen. So wurden in den Krankenhäusern dieser Länder seltener interventionelle Verfahren durchgeführt, wie etwa das Einsetzen eines Stents in eine blockierte Arterie – sondern stattdessen vermehrt gerinnungshemmende Medikamente verabreicht. Das Ergebnis war eine erhöhte Sterblichkeitsrate auch in Krankenhäusern.

Gerade die Daten aus Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen seien allerdings spärlich – die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten daher, dass ihre Analyse das wahre Ausmaß der Auswirkungen der Pandemie auf die Behandlungen von Herzerkrankungen in diesen Ländern noch unterschätzt.

„Langes Warten führt zu Komplikationen“

„In den meisten Ländern der Erde sind Herzkrankheiten Todesursache Nummer eins – und die Analyse zeigt, dass während der Pandemie Betroffene nicht die Versorgung erhielten, die sie hätten erhalten sollen", sagt Hauptautor Ramesh Nadarajah von der Universität Leeds.

Und das habe Folgen: „Je länger Menschen bei einem Herzinfarkt auf medizinische Versorgung warten, desto stärker wird der Herzmuskel geschädigt.“ Das führe zu Komplikationen, die tödlich sein oder chronische Erkrankungen verursachen können. Die Gesundheitssysteme weltweit müssen nun dafür sorgen, so Nadarajah, dass Menschen unterstützt und behandelt werden, deren Herzerkrankungen sich aufgrund der Pandemie verschlechtert haben – oder „unweigerlich noch verschlechtern werden“.

„Maßnahmen dringend notwendig“

„Kollaterale kardiovaskuläre Schäden durch verpasste Diagnosen und verzögerte Behandlungen werden weiterhin anfallen, wenn nicht schnell Maßnahmen ergriffen werden“, warnen die Studienautorinnen und -autoren. Ein Aufschub von interventionellen Verfahren setze viele Patientinnen und Patienten „einem hohen Risiko für unerwünschte Folgen“ aus. Denn: Laut Studie besteht kaum ein Zweifel daran, dass es weiterhin Todesfälle und Folgeerkrankungen geben wird, die indirekt auf die Coronavirus-Pandemie zurückzuführen sind.