Für eine Idee „Feuer und Flamme sein“, vor Ungeduld „auf Nadeln sitzen“ und „Kopf und Kragen riskieren“ – alle diese Redewendungen gehen auf oftmals grausame Hinrichtungsmethoden aus dem Mittelalter zurück. Die Germanistin Gerlinde Gangl von der Universität Graz hat im Rahmen ihrer Masterarbeit über 300 solcher Ausdrücke gesammelt und ihre Herleitung recherchiert.
Die Herleitung der einzelnen Redewendungen wirken heute oft sehr skurril, erklärt sie gegenüber science.ORF.at: „Der Spruch ‚jemandem etwas anhängen‘ stammt von der Rechtspraxis, das einem Beschuldigten diverse Objekte um den Hals gehängt wurden. Die Person musste dann einen bestimmten Weg damit absolvieren.“
Vom Marktplatz in die Alltagssprache
Solche Bestrafungen und auch Hinrichtungen geschahen damals vor Publikum, etwa auf dem Marktplatz. Dieses Einbinden der Öffentlichkeit in die Rechtssprechung und die damalige Fokussierung auf mündliche Überlieferung führt dazu, dass das Recht sehr stark in den Alltagswortschatz überging und sich dort als Floskeln verselbständigte.
Gangl teilt die gefundenen Redewendungen in 17 Kategorien ein. Am häufigsten sind Sprüche, die sich auf Hinrichtungen beziehen. Ein Beispiel ist, sich „wie gerädert“ fühlen – tatsächlich gab es im Mittelalter die Hinrichtungsmethode des Räderns. Das gleiche gilt für die Wendung „sich wie lebendig begraben“ fühlen.
Einäugiger Reiter sorgt für mildes Urteil
Die zweithäufigste Kategorie ist die Rechtssymbolik. Gangl vermutet aber, dass diese Gruppe eigentlich noch größer ist, die Redewendungen sind hier aber schwieriger einzuordnen. Die Bezeichnung „Buschenschank“ leitet sich etwa von einem Rechtsbrauch ab: Schon im Mittelalter wurde ein Buschen oder Strohkranz ausgesteckt oder -gehängt, um anzuzeigen, dass man für einen bestimmten Zeitraum das Schankrecht hatte.
Das sprichwörtliche „ein Auge zudrücken“ sei bei Jacob Grimm in den Rechtsaltertümern dokumentiert, so Gangl. Es ist ein Brauch, bei dem ein einäugiger Büttel (Gerichtsbote) auf einem einäugigen Pferd vom Richter zur beschuldigten Person losgeschickt wird. Auf symbolischem Wege bringt er damit richterliche Milde zum Ausdruck. Um die Redewendungen herzuleiten hat Gangl u. a. etymologische Wörterbücher und rechtskundliche Literatur gesichtet.