Vater hält Baby im Arm, daneben die Mutter
alfa27 – stock.adobe.com
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Studie

Lebensstil verändert Darmflora bei Babys

Ab dem sechsten Monat nach der Geburt passt sich die Darmflora von Kindern an ihren Lebensstil an. In industrialisierten Ländern sind die Bakterien im Darm nicht besonders vielfältig, wie eine aktuelle Studie zeigt. Das könnte im späteren Leben anfälliger für Allergien und anderen Immunschwächen machen.

Wie wichtig eine ausgewogene Darmflora für ein möglichst gesundes Leben ist, ist schon lange bekannt. Generell gilt dabei: Je größer die Anzahl unterschiedlicher Bakterien in einem gesunden Darm ist, desto besser. Vor allem in industrialisierten Ländern sei die Bakterienvielfalt im Darm aber oft gering, erklärt der Biologe Aashish Jha von der New York University in Abu Dhabi gegenüber science.ORF.at.

Er war Teil eines Teams, das die möglichen Gründe dafür näher untersucht hat. Das Ergebnis präsentieren die Forscherinnen und Forscher um den US-amerikanischen Mikrobiologen Matthew Olm aktuell im Fachjournal „Science“.

Globaler Vergleich

Im Vergleich zu Personen aus industrialisierten Ländern haben traditioneller lebende Volksgruppen wie die Hadza aus Tansania mehr unterschiedliche Bakterien im Darm „Die Hadza sind unter anderem dafür bekannt, dass sie als Erwachsene eine der vielfältigsten Darmfloren haben, die es bei Menschen gibt“, sagt Jha. Personen, die der Volksgruppe angehören, leben als traditionelle Jäger und Sammler und damit immer noch sehr naturnah.

Die Forscherinnen und Forscher hatten besonderes Interesse daran, die Entwicklung der Darmflora ab der Geburt näher zu untersuchen: „Wir wollten die Frage klären, ab welchem Punkt im Leben sich die Darmflora eines Menschen von anderen zu unterscheiden beginnt.“

Dazu analysierte das Team knapp über 60 Stuhlproben von Hadza-Neugeborenen und verglich sie mit Datenbanken von 18 auf der ganzen Welt verteilten industrialisierten Bevölkerungen. Außerdem gelang dem Team die noch detailliertere metagenomische Untersuchung von rund der Hälfte der Hadza-Proben. „Das hat uns erlaubt, bei über 30 Proben das gesamte bakterielle Erbgut der Darmflora genau zu analysieren“, so Jha.

Unterschiede ab dem sechsten Monat

In den ersten Monaten nach der Geburt fanden die Forscherinnen und Forscher kaum relevante Unterschiede in der Darmflora der Kinder, egal aus welchem Land sie kamen. Erst ab dem sechsten Monat stellten sie Veränderungen fest.

Anschließend zeigte sich: „Einige Mikroben, die im Darm der Hadza-Kinder gefunden wurden, fehlten in den Proben aus industrialisierten Ländern“. Rund 20 Prozent der Bakterienarten aus den Hadza-Proben stuften die Fachleute als neu ein – die meisten davon konnten sie in den Proben aus industrialisierten Ländern nicht nachweisen.

Die Folgen fehlender Bakterien

Weitere Untersuchungen müssten laut Jha erst noch zeigen, welche der gefundenen Bakterien wofür verantwortlich sind. Der Vergleich habe aber unter anderem bewiesen, dass Kindern aus industrialisierten Ländern einige wichtige Bakterien fehlen.

Manche davon seien vor allem in frühen Entwicklungsphasen relevant, um etwa Muttermilch bestmöglich zu verarbeiten. „Das kann bedeuten, dass Kinder aus industrialisierten Ländern die Muttermilch weniger gut verarbeiten als Kinder der Hadza.“ Laut dem Biologen könnte ein Fehlen dieser Bakterien in der Darmflora außerdem anfälliger für Schwächen des Immunsystems machen, etwa in Form von Allergien. Auch dieser Zusammenhang müsse aber erst noch genauer untersucht werden.

Gesunder Lebensstil schon im Kindesalter

Jha streitet nicht ab, dass auch die Umgebung und äußere Einflüsse die Darmflora teilweise verändern. Die Erkenntnisse des Teams würden aber klar zeigen, dass neben dem Erbgut der Mutter auch der generelle Lebensstil die Bakterienvielfalt im Darm nachhaltig verändert.

Beweisen würde das auch ein weiterer von den Forscherinnen und Forschern angestellter Vergleich. Dafür nutzten sie die Hadza-Proben und Daten aus Regionen, die sich im Übergang zu einem industrialisierten Lebensstil befinden. Die dortige Bevölkerung sei laut Jha immer noch naturnaher als viele westliche Länder, jedoch nicht mehr so traditionell wie die Hadza. Beim Vergleich zeigte sich, dass sich die Darmflora der Neugeborenen erst nach rund zweieinhalb Jahren merkbar von den Hadza-Proben unterschied.

Mit dem Ergebnis wollen die Forscherinnen und Forscher laut Jha auf die Bedeutung eines gesunden Lebensstils schon im Kindesalter aufmerksam machen. Nach weiteren Untersuchungen könnten die Erkenntnisse außerdem zur Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin führen, denn zahlreiche Immunschwächen und -krankheiten hängen mit Störungen der Darmflora zusammen.