Umstrittene Patentfreigabe bei Covid 19

Derzeit laufen Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO in Genf. Diskutiert wird u.a. über die Patentfreigabe für Coronavirus-Impfstoffe, Medikamente und Equipment. Der jetzige, abgespeckte Vorschlag der EU zum sogenannten TRIPS Waiver sei zahnlos, warnen NGOs.

Attac und Ärzte ohne Grenzen fordern eine Rückkehr zum ursprünglichen, von Südafrika und Indien vorgeschlagenem TRIPS Waiver Abkommens. Der jetzige Vorschlag der EU sei nämlich nur noch auf Impfstoffe beschränkt. „Das ist besonders bedauerlich zu einem Zeitpunkt, wo wir erstmals auch Therapeutika haben, die, wenn rechtzeitig angewandt, tatsächlich die Überlebenschancen verbessern können“, so Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen. Diagnostika, Material, aber auch Beatmungsgeräte müssten in die Patentfreigabe mit aufgenommen werden.

Patentfreigabe sollte umfassender und länger sein

Auch Qualitätskontrolldaten oder Daten von klinischen Versuchen sollten offengelegt werden, um Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen zu verhindern, so Bachmann. Die Dauer der Patentaufhebung müsse außerdem mindestens fünf Jahre betragen.

Momentan stehe die Formulierung „für die Dauer der Pandemie“ zur Debatte. Ob es sich noch um eine Pandemie handelt, wird von der Weltgesundheitsorganisation alle drei Monate neu bewertet. Es kann also sein, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt befindet, dass wir nun nicht mehr in einer Pandemie stehen, sondern sich der Status in eine Endemie verwandelt. Dann wäre das Virus nach wie vor da, doch die Patentfreigabe beendet. „Für betroffene Länder wäre das eine große Unsicherheit“, so Marcus Bachmann.

Mehr Rechtssicherheit

Generell brauche es mehr Rechtssicherheit: Der jetzige Entwurf lasse zu viel Raum für Interpretationen und juristische Spitzfindeleien. „Was natürlich viele Unternehmen im globalen Süden aufgrund der finanziellen und juristischen Risiken abhalten würde, in diese Produktionen einzusteigen, weil es einfach wesentlich zu riskant ist aus wirtschaftlicher Sicht für die Unternehmen“, so Bachmann.

Negativer Präzedenzfall befürchtet

Der EU-Textentwurf zum TRIPS Waiver Abkommen reiche zu stark von der ursprünglichen Version ab, kritisieren Attac und Ärzte ohne Grenzen. Das könnte einen negativen Präzedenzfall schaffen, der auch in Zukunft die Versorgung ärmerer Länder mit modernen Medizinprodukten gefährde.

„Das Thema geht weit über die Pandemie hinaus“, meint Marcus Bachmann. „Wir sehen jetzt schon, dass sehr viele Menschen im globalen Süden vom Zugang zu wirksamen sicheren Medikamenten, Impfstoffen, Diagnostik, Medizinprodukten ausgeschlossen sind“.

Wenn ein Vorschlag wie das TRIPS Waiver-Abkommen noch weiter eingeschränkt wird, dann würde das wie ein Dammbruch wirken, befürchtet er. Dafür, dass Patente auch in Zukunft so „in Stein gemeißelt“ seien, dass keine Produktionsausweitung für Unternehmen in ärmeren Ländern mehr möglich ist.

Nicht nur bei Pandemien, sondern „wenn dieser Dammbruch, dieser Präzedenzfall geschaffen wird, dann fürchten wir auch, dass die Versorgung mit anderen essentiellen Medikamenten für HIV, AIDS, Tuberkulose sich so verkomplizieren oder verteuern würden, dass viele Menschen im globalen Süden aus der Versorgung herausfallen könnten“, so Marcus Bachmann.

EU blockiert

Von den 164 Mitgliedern der WTO hatte sich eine deutliche Mehrheit für das TRIPS Waiver Abkommen ausgesprochen, beziehungsweise eine positive Abstimmung angekündigt. Zu den Blockierern gehören im Wesentlichen die EU, Großbritannien und die Schweiz.

„Man muss sich das schon vor Augen halten, dass hier ein kleiner reicher Winkel der Welt alle anderen Staaten der Welt in Geiselhaft nimmt“, kritisiert Marcus Bachmann.

Innerhalb der EU gibt allerdings mit Ländern wie etwa Spanien als Unterstützer des TRIPS Waiver auch kritische Stimmen gegenüber der ablehnenden Haltung von Ländern wie etwa Deutschland. Auch der österreichische Gesundheitsminister Johannes Rauch hat Verständnis signalisiert für die, gesundheitspolitische, wie auch die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Dimension des TRIPS Waiver.

Ärzte ohne Grenzen fordert, dass die österreichische WTO-Delegation unter Leitung von Wirtschaftsminister Martin Kocher den ursprünglichen TRIPS-Waiver-Vorschlag unterstützt.