Eine Mutter berührt ihr Baby mit den Fingern
Aditya Romansa/Unsplash
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Hoffnung bei Krebs

„Viele Jahre später Familie gründen“

Diese Woche ist aus Tirol eine kleine medizinische Sensation gemeldet worden: Wegen einer Krebserkrankung wurden bei einer Frau die Eierstöcke zerstört. Nun hat sie – 15 Jahre später – ein gesundes Baby zur Welt gebracht. Möglich wurde das durch eingefrorenes Gewebe. Damals noch experimentell macht diese Methode heute vielen Frauen mit Krebsdiagnose Hoffnung.

Es sind vor allem verschiedene Formen von Lymphdrüsenkrebs, die Frauen in noch relativ jungem Alter treffen und eine so starke Chemotherapie brauchen, dass sie die Eierstöcke schädigt oder ganz zerstört. So war es auch bei der Tirolerin, bei der die Krebstherapie vor 15 Jahren schnell beginnen musste. Damals hat man sich entschieden, Eierstockgewebe einzufrieren und für später aufzuheben.

Alter und Zeit als kritische Faktoren

Bei der Entscheidung für diese Methode gilt es, mehrere Faktoren zu beachten: „Je jünger die Patientin ist, desto dichter gepackt sind die Eizellen im Eierstockgewebe. Dadurch gewinnen wir wirklich viele Eizellen“, sagt Bettina Toth, Leiterin der Uniklinik für Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin in Innsbruck.

Außerdem komme es auf die Wahrscheinlichkeit an, ob nach der Krebsbehandlung noch ein Zyklus bestehen wird: wenn nicht, spricht das für vorsorgende Maßnahmen. Und die Zeit ist ein kritischer Faktor: Ist mehr Zeit, könne man noch einen Zyklus abwarten, reife Eizellen gewinnen und einfrieren. Muss die Krebsbehandlung sofort starten, müsse man auf das Gewebe mit den unreifen Eizellen zurückgreifen, so Toth.

Eine junge Frau hält ihren Babybauch.
APA/dpa
Eine schwere Erkrankung wie Krebs muss heute kein Widerspruch zu einem späteren Kinderwunsch mehr sein

Angebot an alle Krebspatientinnen

Vor 15 Jahren wusste man in Innsbruck noch nicht, dass sich das Einfrieren von Eierstockgewebe weltweit als Standard etablieren wird. „Heute ist das eine Methode, die wir jeder Krebspatientin anbieten – abhängig davon, welche Chemotherapie oder welche Bestrahlung sie bekommt“, so Toth. Insgesamt 150 Zentren für Gynäkologie und Fortpflanzungsmedizin haben sich in Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammengeschlossen, um Erfahrungen auszutauschen und Therapieangebote auf dem aktuellen Stand zu halten.

Auch durch diesen internationalen Austausch sei vieles in den letzten 15 Jahren verändert und verbessert worden: Die Flüssigkeiten, in denen das Gewebe eingefroren wird, sind heute andere, und auch die Proben von den Eierstöcken selbst sind heute größer: „Früher hat man Teilchen so klein wie ein Stecknadelkopf verwendet.“

Zukunft nicht aus den Augen verlieren

Wenn nach erfolgreicher Krebsbehandlung der Kinderwunsch wieder da ist, kann man das Gewebe auftauen und reimplantieren. So war es auch bei der Tiroler Patienten, die jetzt Mutter geworden ist. Bei ihr waren die Eierstöcke durch die Chemotherapie zerstört, durch die Transplantation des Gewebes hat der Zyklus wieder begonnen. Die Frau ist auf natürlichem Weg schwanger geworden und hat kürzlich eine Tochter zur Welt gebracht.

Die Geburt in Tirol sei ein Ereignis, das vielen Frauen Hoffnung gibt. Eine Krebsdiagnose überfordere momentan jeden Menschen, es sei „ganz klar, dass das ganz schwer zu verarbeiten ist“, so Klinikleiterin Toth. Dennoch dürfe man nicht vergessen, an die Zukunft zu denken: „Wir leben in einem Gesundheitssystem, in dem wir Krebs überleben. Und wo wir dann, viele Jahre später, darüber nachdenken können, eine Familie zu gründen."