Erde aus dem All
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UNO-Nachhaltigkeitsziele

Viel Reden, wenig Tun

Vor sieben Jahren haben die Vereinten Nationen die Agenda 2030 beschlossen – die ganze Welt sollte ihr gemäß „nachhaltig entwickelt“ werden. Die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele liegt aber noch in weiter Ferne, wie eine aktuelle Studie zeigt. Die Politik redet zwar viel von ihnen, handelt aber nur selten in ihrem Sinne.

„Die Agenda 2030 ist eine Handlungsanleitung für Menschen, Planet und Wohlstand“, heißt es auf der Website der Agenda. Und vielversprechend weiter: „Wir haben beschlossen, die Menschheit von der Tyrannei der Armut und des Mangels zu befreien und unseren Planeten zu heilen.“ Sieben Jahre später hat sich ein Team um den Nachhaltigkeitsforscher Frank Biermann von der Universität Utrecht den Ist-Zustand dieser Hoffnung angesehen. Die Forscherinnen und Forscher werteten über 3.000 Studien und Artikel aus, die zwischen 2016 und 2021 der Umsetzung der UNO-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) nachgegangen sind.

An Gesetzen und Institutionen wenig geändert

Ergebnis der in der Fachzeitschrift „Nature Sustainability“ erschienenen Analyse: Diskursiv hat sich einiges geändert. Die Politik bekenne sich fast rund um die Welt zu den SDGs und baue Verweise darauf in politische Reden und Programme ein. Auch viele Unternehmen, Banken und Investoren würden die Ziele von Armutsbekämpfung, Umweltschutz und sozialer Gerechtigkeit programmatisch goutieren. Bei der Umsetzung hapert es aber allerorts gewaltig.

Das zeigt sich bei der Frage, wie die Ziele in konkrete Gesetze, Budgets oder andere politische Maßnahmen eingeflossen sind. „Die SDGs scheinen öffentliche Budgets und finanzielle Zuteilungsmechanismen in keiner wichtigen Weise verändert zu haben“, heißt es in der Studie. Dies stehe den beabsichtigten Transformationen ebenso im Wege wie der Umstand, dass es kaum zu institutionellen Veränderungen gekommen sei – nur in wenigen Fällen wurden etwa neue Einrichtungen geschaffen in Ministerien oder anderen Behörden, die sich der Umsetzung der Ziele widmen.

Oft „SDG-washing“

In vielen Ländern würden einzelne Städte eine Pionierrolle bei der realen Umsetzung von SDG-Zielen ausüben, schreiben Frank Biermann und seine Kolleginnen – oft im Widerspruch zu bremsenden Zentralregierungen. Auch die Rolle der Zivilgesellschaft sei sehr wichtig, ihre Vertreterinnen und Vertreter mahnen die Agenda-2030-Ziele oft ein und repräsentieren vulnerable Gruppen.

Allgemein gebe es aber kaum Hinweise, dass sich die wirtschaftliche Situation der Länder im Globalen Süden durch die SDGs verbessert hat, ihr Steuerungseffekt sei „beschränkt“. Mitunter seien sie sogar kontraproduktiv – nämlich dann, wenn politische und wirtschaftliche Eliten das SDG-Vokabular verwenden, um ihrer nicht-inklusiven Politik Legitimität zu verschaffen, also eine Art von „SDG-washing“ betreiben.

Ebenfalls auffällig: Auch aufstrebende Ökonomien des Globalen Südens framen ihre Investitionen mit den Agenda-2030-Vokabeln. Allen voran China, das sein Handels- und Infrastrukturprojekt der Neuen Seidenstraße als SDG-Beitrag „verkauft“.

Rechtlich nicht bindend

Fazit der Studie: Da die Nachhaltigkeitsziele für Regierungen rechtlich nicht bindend sind, können sie Politikerinnen und Politiker sehr unterschiedlich interpretieren und für ihre eigenen Zwecke nutzen. Für eine echte Umsetzung brauche es entsprechende politische Institutionen mit Rechtsmandaten. Ein Vorschlag laut Studie: die Aufwertung des UNO-Nachhaltigkeitsgremiums, das die Entwicklung der SDG-Ziele überprüft – was aber von vielen Regierungen nicht gewünscht wird.