Ein kleiner Bub spielt in einem Brunnen in Frankfurt
APA/dpa/Arne Dedert
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Wohnbau

Neue Strategien für heiße Städte

Die Zukunft wird heiß und besonders Städte brauchen neue Strategien, damit umzugehen. Wie der zukünftige Wohnbau aussehen könnte, war die Leitfrage der Internationalen Bauausstellung (IBA) in Wien. Bei der Abschlussausstellung wurden konkrete Beispiele aus Wien vorgestellt, die die städtische Hitze erträglicher machen.

Ein Beispiel für klimaangepasstes Wohnen ist die Biotope City Wienerberg, die mit fast 1.000 Wohnungen auf dem ehemaligen Coca-Cola-Gelände in Wien-Favoriten gebaut wurde. Die ersten Bewohnerinnen sind vor Kurzem eingezogen.

Partizipation gefragt

Sie werden aktiv in das Klimakonzept miteinbezogen und müssen etwa die Pflanzen auf den Balkonen und der Anlage pflegen und gießen, erklärt Kurt Hofstetter, Leiter der IBA: „Dafür gibt es ein eigenes Programm, um die Menschen an die Natur heranzuführen und ihnen klarzumachen, dass das Begrünungskonzept nur funktioniert, wenn sie auch mitmachen.“ Die intensive Begrünung soll dafür sorgen, dass der Feinstaub gebunden und die Sommerhitze erträglicher wird.

Ins Baukonzept integriert ist ein eigenes Regenwassermanagement: Anstatt das Regenwasser unter hohem Energieaufwand in den öffentlichen Abwasserkanal zu pumpen, wird der größte Teil direkt an Ort und Stelle den Pflanzen auf den Dächern, Flächen, Trögen und Baumgruben zugeführt. Jener Anteil, der insbesondere bei Starkregen nicht am Anfallsort zurückgehalten und vom Erdreich aufgenommen werden kann, wird gesammelt, vorgereinigt und mit natürlichem Gefälle gezielt in den Wienerberg-Teich eingeleitet.

Zwei Grad kühler durch Pflanzen

Der Plan ist, mit den grünen Fassaden und den wildwachsenden Parks die Temperatur zu senken. In den Parks speichert ein spezieller Schwammboden das Wasser und gibt es langsam wieder ab, damit die Pflanzen besser wachsen.

Ziel sei es, mit all diesen Maßnahmen die Luft im Vergleich zur Umgebung um zwei Grad abzukühlen. Wissenschaftlich begleitet wird diese Klimastrategie von der Universität für Bodenkultur, erste Ergebnisse gibt es aber erst in ein paar Jahren, wenn die Pflanzen gewachsen sind.

Thermische Bauteilaktivierung

Ein anderes Beispiel ist der Wohnbau mit dem sperrigen Namen MGG 22. Er steht in Wien-Donaustadt und hat als erster geförderter Wohnbau in Wien eine thermische Bauteilaktivierung. Hofstetter erklärt, was das genau bedeutet: „Über die Wände, das können tragende Wände sein, das kann auch die Decke sein oder der Fußboden, wird geheizt und gekühlt. In der Wand liegen also die Schläuche, die die Wärmeversorgung regulieren.“ Damit könne eine ganzjährige Versorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie sichergestellt werden.

Das Gebäude ist unabhängig von der Fernwärme und bezieht Windenergie aus dem Burgenland, die es unterirdisch speichert und später zum Heizen oder auch Kühlen an sommerlichen Hundstagen aktivieren kann. Dazu gibt es mit Erdtiefensonden gekoppelte Wärmepumpen, die Ladung der Decken als „Bauteilbatterie“ hält mehrere Tage. Dadurch verbessert das aktivierte Wohnquartier Wirkungsgrad und Effizienz der Windkraftwerke. Dazu komme der ökonomische Vorteil mit sehr geringen laufenden Energiekosten für die Bewohnerinnen.

Sinneswandel spürbar

MGG22 und Biotope City Wienerberg sind Einzelprojekte, die aber schnell mehr werden können, wenn die Gesellschaft danach verlangt, vermutet Hofstetter: „Man sieht ja, wie innerhalb von zwei bis drei Jahren plötzlich viele Menschen auf der Straße stehen und fragen, warum es hier nicht mehr Bäume gibt. Vor ein paar Jahren haben die Leute noch gefragt: Warum kann ich hier nicht mit dem Auto parken?"

Sechs Jahre lang beschäftigte sich die Internationale Bauausstellung (IBA) mit der Zukunft des Wohnens in Wien. Die Abschlusspräsentation kann man noch bis November in der Nordwestbahnhalle sehen.