Sind die Emotionen, die Musik auslöst, immer gleich? Und das egal, von wem sie gehört wird? Diesen Fragen gingen Forscherinnen und Forscher um die Psychologin Eline Smit von den Universitäten Konstanz und Western Sydney nach.
Warum Melodien bestimmte Gefühle in Menschen auslösen, sei bisher nicht genau geklärt. Laut Smit gibt es aber verschiedene Theorien: „Es ist möglich, dass es bestimmt Akkorde und Harmonien gibt, die einfach universell als fröhlich oder traurig wahrgenommen werden. Ganz ausschließen können wir das nicht.“
Melodien erinnern an Ereignisse
Andererseits gebe es Untersuchungen, die der Kultur und dem Erfahrungsschatz der Menschen eine größere Bedeutung zusprechen. Smit: „Wir wissen im Bereich der Psychologie, dass die Vertrautheit mit Dingen eine große Rolle dabei spielt, wie glücklich oder traurig sie uns machen. Bei Musik ist das wahrscheinlich nicht anders.“
Dazu gehöre auch, dass bestimmte Melodien oft mit gewissen Ereignissen in Verbindung gebracht werden – zum Beispiel bei Hochzeiten. Personen seien so schon von Kindheit an darauf konditioniert, den Hochzeitsmarsch und ähnliche Musik mit fröhlichen Emotionen zu verbinden.
Untersuchung in abgelegenen Gebieten
Zusammen mit ihrem Team wollte Smit prüfen, wie sehr sich Gewohnheit tatsächlich auf den Musikgeschmack der Menschen auswirkt. Die Forscherinnen und Forscher erstellten Akkordabfolgen und Harmonien und spielten sie Personen in abgelegenen Dörfern in Papua-Neuguinea vor. Anhand von jeweils zwei Beispielen sollten sie entscheiden, ob Beispiel eins (im Tonbeispiel „ingguk“) oder Nummer zwei („yoi“) fröhlicher klang. Danach wiederholten sie das Experiment in der australischen Großstadt Sydney. Das Ergebnis der Untersuchung wurde im Fachjournal „PLoS One“ veröffentlicht.
Insgesamt 170 Personen aus Papua-Neuguinea nahmen an der Studie teil. Sie alle waren ähnliche traditionelle Musik gewohnt. Wie vertraut sie hingegen mit westlichen Melodien waren, unterschied sich abhängig von der Gemeinschaft, aus der sie kamen. Smit: „Abhängig vom Glauben der Menschen und der Kirche, die sie besuchen, hatten einige von ihnen schon Erfahrungen mit westlicher Musik in Form von Kirchenhymnen.“ Andere Probandinnen und Probanden hatten bis zum Experiment hingegen kaum Kontakt mit westlichen Melodien.
Einfaches Experiment
„Wir wollten einen möglichst einfachen Versuchsaufbau, um die Ergebnisse gut miteinander vergleichen zu können“, erklärt Smit gegenüber science.ORF.at. Daher mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur bestimmen, welche von zwei Harmonien oder Akkordfolgen für sie fröhlicher klang. In mehreren Runden sammelten die Forscherinnen und Forscher so Daten, ob Melodien in Dur oder Moll glücklicher machten und welche Auswirkungen die Tonhöhe darauf hatte.
Das Ergebnis: „In Papua-Neuguinea haben wir eindeutige Unterschiede festgestellt, je nachdem, wie vertraut die Menschen bereits mit westlicher Musik waren.“ Für Personen, die westlichere Kirchenhymnen gewohnt waren, klangen hohe Dur-Akkorde und Harmonien generell fröhlicher. Ein paar Ausnahmen gab es jedoch.
Vertrautheit beeinflusst Emotionen
Anders sah es bei den Gemeinschaften aus, die bis zum Experiment kaum Erfahrung mit nicht traditioneller Musik hatten. „Die Ergebnisse in dieser Gruppe sind nicht eindeutig. Wir können also nicht genau sagen, ob für diese Personen Dur- oder Moll-Akkorde fröhlicher klingen und welche Tonhöhen sie bevorzugen.“ Ein unklares, aber laut Smit dennoch interessantes Ergebnis: „Das zeigt uns, dass die Vertrautheit mit bestimmten Harmonien ganz klar eine Rolle dabei spielt, welche Emotionen sie in uns auslösen.“
Einen noch deutlicheren Hinweis darauf würden die Ergebnisse des Experiments in Sydney liefern. Dort gaben fast alle der knapp 80 Personen an, dass Dur-Harmonien glücklicher machen, Moll-Harmonien hingegen meist traurig klingen.
Universelle Eigenschaften nicht ausgeschlossen
Dass es universelle Eigenschaften von Musik gibt, die von allen Personen auf der Welt ähnlich wahrgenommen werden, ist laut Smit nicht auszuschließen. Offen sei etwa noch, wie sich der Rhythmus einer Melodie auf verschiedene Bevölkerungsgruppen auswirke. Das Ergebnis ihrer Untersuchung zeige jedoch klar, dass bei Harmonien und Tonhöhen auch die Kultur und die Vertrautheit mit bestimmten Melodien eine Rolle spielen.
Um noch genauer zu erforschen, welche Emotionen Musik auslöst und was damit alles zusammenhängt, hofft die Psychologin auf zahlreiche weitere Studien in diesem Bereich. Wichtig sei dabei, verschiedene Kulturen und Bevölkerungsgruppen einzubinden. Nur so sei es möglich, auch Daten über Musik zu bekommen, die sich von westlichen Harmonien unterscheidet.