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Rido – stock.adobe.com
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Studie

Einser helfen kaum bei Bildungsaufstieg

Dass Bildung in Österreich vererbt wird ist nicht neu. Eine Studie der Universität Wien hat nun gezeigt, dass Kinder aus einem Elternhaus mit niedrigem Bildungsabschluss bei der Schullaufbahn sogar dann im Nachteil sind, wenn sie gute Noten haben.

In Österreich müssen sich Kinder bereits mit zehn Jahren – also nach der Volksschule – zwischen Gymnasium und Mittelschule entscheiden. Im internationalen Vergleich ist das sehr früh. Mit der Entscheidung werden die Weichen für die Zukunft gestellt. Allerdings ist ein Wechsel von der Mittelschule auf eine höhere Schule immer noch möglich.

Wer diese zweite Chance zum Bildungsaufstieg nutzen kann, hat sich ein Forschungsteam der Universität Wien angesehen. Die seit fünf Jahren laufende Längsschnittstudie Wege in die Zukunft interessiert sich für das Leben von Jugendlichen in Wien, für ihren Alltag, ihre Interessen und auch ihr Bildungsweg.

Einser in Mathematik hilft nicht immer

Und hier zeigte sich, dass das Elternhaus bei der Frage, ob ein junger Mensch nach der Mittelschule auf eine weiterführende Schule mit Maturaabschluss wechselt, entscheidend bleibt: "Wenn die Eltern hohe Bildungsabschlüsse haben, ist diese Wahrscheinlichkeit viel größer. Und wir sehen, dass das sogar unabhängig von den Schulnoten gilt“, sagt Projektleiter Jörg Flecker, Soziologe an der Universität Wien.

Er hat sich jene Schülerinnen und Schüler angeschaut, die am Ende der Mittelschule einen Einser in Mathematik hatten: Hatten die Eltern einen Hochschulabschluss, wechselten 30 von 100 Schülerinnen und Schülern mit einem Einser in Mathematik ans Gymnasium, so Flecker. Bei jenen, deren Eltern lediglich einen Pflichtschulabschluss hatten, waren es lediglich 16 von 100 Schülern.

Ungleiche Verteilung

Drei Jahre nach Abschluss der Mittelschule sind immerhin 42 Prozent der Wiener Schülerinnen und Schüler an einer weiterführenden Schule mit Maturaabschluss, so Flecker. Eigentlich eine gute Nachricht – doch im Detail zeigt sich, wie ungleich die Schülerinnen und Schüler vertreten sind:

Haben die Eltern einen Hochschulabschluss, wechselten 56,2 Prozent der ehemaligen Mittelschülerinnen und -schüler drei Jahre nach Abschluss der Mittelschule in eine Schule mit Matura (AHS oder BHS). Haben die Eltern einen Pflichtschulabschluss, sind es nur 35,9 Prozent. Haben die Eltern einen Hochschulabschluss, sind 37,9 Prozent der ehemaligen Mittelschülerinnen und -schüler drei Jahre nach Abschluss der Mittelschule in einer Berufsausbildung (BMS oder Lehre). Haben die Eltern einen Pflichtschulabschluss, sind es 45,6 Prozent.

Außerdem schaffen den Aufstieg an eine höhere Schule mehr Mädchen als Burschen, so Jörg Flecker. Die hätten schon in der Mittelschule ehrgeizigere Pläne: „Über die Hälfte der Mädchen in der Mittelschule wünscht sich, später zu studieren.“ Bei den Burschen seien die Bildungssspirationen zwar auch da, allerdings deutlich unter 50 Prozent. Mädchen hätten durchschnittlich mehr Erfolg in der Schule und würden auch mehr Anerkennung von den Lehrern bekommen.

Auch Talente von Akademikerkindern unentdeckt

Und auch die Lehrkraft beeinflusse den Übergang nach der Mittelschule, so Flecker. Erhalten die Schülerinnen und Schüler von der Lehrperson das Feedback, dass sie geeignet für eine AHS seien, dann finden sie sich drei Jahre nach dem Mittelschulabschluss mit höherer Wahrscheinlichkeit an einer solchen wieder.

Die Vererbung von Bildung wird auch nach der Mittelschule nicht aufgehoben, so das Fazit des Soziologen. Seine Befragung begann vor fünf Jahren mit etwa 3.000 Schülern an allen Mittelschulen in Wien. Rund 700 von ihnen begleitet sein Team bis heute.

Fleckers Empfehlung: Eine längere, gemeinsame Volksschulzeit und intensivere Betreuung in der Mittelschule, um Talente unabhängig vom Elternhaus zu fördern. Übrigens auch in die andere Richtung: Der Soziologe vermutet, dass viele Schülerinnen und Schüler aus einem Akademikerhaushalt auf der Universität landen, obwohl sie eher Talent für eine handwerkliche Ausbildung haben – das aber unerkannt bleibt.