Ammonit
ARKENSTONE/Rob Lavinsky
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Mineralien

57 „Rezepte“ der Mineralentstehung

Auf der Erde gibt es knapp 6.000 bekannte Minerale. Sie entstanden auf vielfältige Weise. 57 „Rezepte“ haben Forscherinnen und Forscher nun für bisher umfangreichste Datenbank zum Thema erfasst. 40 Prozent der Minerale können auf mindestens zwei Arten entstehen. Ohne Wasser gäbe es vermutlich nur einen Bruchteil von ihnen.

Diamant ist nicht gleich Diamant, wie der Mineraloge und Astrophysiker Robert Hazen von der US-amerikanischen Carnegie Institution for Science erklärt. Auch wenn sich die kostbaren Minerale vielleicht äußerlich gleichen, könnten sie auf sehr unterschiedliche Weise entstanden sein. „Es gibt Diamanten, die sich über lange Zeiträume unter der Erde bilden. Sie können aber auch durch extreme Krafteinflüsse, wie etwa Meteoriteneinschläge, ganz plötzlich entstehen. Manche von ihnen werden sogar im Weltall gebildet“, erklärt Hazen gegenüber science.ORF.at. Zusammen mit einem Forschungsteam hat er insgesamt neun Wege gefunden und katalogisiert, wie Diamanten entstehen.

Alle Minerale katalogisiert

Diamanten seien aber nur ein Beispiel der knapp 6.000 bekannten Minerale, die es auf der Erde gibt. Hazen hat es sich daher in den letzten 15 Jahren zur Aufgabe gemacht, so viel wie möglich über die Ursprünge und Entstehungsweisen aller Minerale herauszufinden. In zwei Studien, die Hazen und seine Kollegin Shaunna Morrison aktuell im Fachjournal „American Mineralogist“ präsentieren, haben sie die bisher umfangreichste Datenbank zur Entstehung von Minerale erstellt.

Bei Forscherinnen und Forschern stoßen die neuen Erkenntnisse auf sehr positive Reaktionen. Als „bahnbrechend“ bezeichnet sie etwa der italienische Geologe Luca Bindi. In einem Kommentar zu den beiden Studien schreibt er: „Die Erkenntnisse zeigen uns, dass Minerale die widerstandfähigsten und gleichzeitig informationsreichsten Objekte sind, um die Entstehung von Planeten zu erforschen.“ Davon ist auch Hazen überzeugt. Er erklärt: „Minerale sind die einzigen tatsächlich greifbaren Objekte, die Millionen, wenn nicht sogar Milliarden Jahre an Informationen beinhalten.“

Verschiedene Ursprünge

In einer Studie beschäftigen sich die Forscherinnen und Forscher mit der vielfältigen Entstehung der Minerale. Diamanten können sich auf neun bekannten Wegen bilden, das Mineral Pyrit (auch als „Narrengold“ bekannt) entsteht hingegen auf 21 unterschiedliche Weisen. „Pyrit kann bei heißen, aber auch kalten Temperaturen entstehen. Mit Wasser oder ohne Wasser, mit oder ohne die Hilfe von Mikroben“, so Hazen. Es sei mit seinen vielfältigen Entstehungsweisen daher der „Champion“ unter den bekannten Minerale der Erde.

Pyrit
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Pyrit, der „Champion“ der Entstehungsweisen

Insgesamt gelang es den Forscherinnen und Forschern 57 „Rezepte“ zu katalogisieren, aus denen alle der knapp 6.000 bekannten Minerale entstanden sind. Der Großteil von ihnen hat dabei nur eine einzige Entstehungsweise, rund 40 Prozent können sich laut Hazen aber auf mehr als einem Weg bilden.

Neue Unterteilung

In der zweiten Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher die gesammelten Daten zu den knapp 6.000 bekannten Minerale und unterteilten sie anhand mehrerer Eigenschaften neu. Hazen: „Die Minerale werden bisher offiziell nur an ihrer idealen chemischen Zusammensetzung und ihrer Kristallstruktur unterschieden. Wie sie entstehen oder wie viel Zeit sie dafür benötigen, wird kaum berücksichtigt.“

Diese Faktoren miteinberechnet konnten die Forscherinnen und Forscher mehr als 10.500 Mineralarten bestimmen, die sich anhand mehrerer Faktoren unterschieden. Schon das Sammeln der dafür nötigen Daten dauerte rund zehn Jahre, so Hazen.

Das Mineral Beryll gibt es in vielen Farben und Varianten, etwa als Smaragd
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Das Mineral Beryll gibt es in vielen Farben und Varianten, etwa als Smaragd

Die Forscherinnen und Forscher möchten die bisherige Unterteilung der Minerale jedoch nicht ersetzen, sondern mit ihrer frei zugänglichen Datenbank eine zusätzliche Grundlage für künftige Forschung bieten. Der französische Geologe Patrick Cordier war an der Studie nicht beteiligt, erklärt aber in einem Kommentar: „Die Arbeit von Hazen und dessen Team verändert die Weise, wie wir Minerale wahrnehmen.“

Planetare Forschung

Die Forscherinnen und Forscher konnten auch nachweisen, dass Wasser bei der Entstehung von Minerale eine sehr große Rolle spielt. „Ohne Wasser gäbe es konservativ geschätzt rund 80 Prozent der Mineralien auf der Erde nicht. Wahrscheinlich ist die Zahl noch höher“, so Hazen. Dass Wasser so wichtig für die Entstehung von Minerale ist, erkläre auch, warum die Mineralvielfalt etwa auf dem Mond oder Merkur viel geringer ist als auf der Erde.

Die Erkenntnisse aus den Studien könnten künftig auch zur planetaren Forschung und der Suche nach bewohnbaren Planeten oder sogar extraterrestrischem Leben beitragen. Genauer zu verstehen, wie die Minerale anderer Planeten entstanden sind und was sie dafür benötigen, könnte zahlreiche wichtige Informationen über den jeweiligen Planeten liefern.

Aber nicht nur über andere, auch über die Erde könne man durch die Studienergebnisse Neues erfahren. Das Alter von Minerale und ihr Entstehungsweg könnte etwa weitere Erkenntnisse über das frühe Leben auf dem Planeten und Informationen zu den damaligen Umweltbedingungen liefern.

Grundstein gelegt

Für Hazen ist besonders wichtig, dass die Ergebnisse aus 15 Jahren Forschung für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frei zugänglich sind und als Grundlage für weiterführende Studien dienen. Der Grundstein sei gelegt, nun hofft der Astrophysiker auf Durchbrüche auf dem Gebiet: „Die kommenden Jahre werden für die Erforschung von Minerale und generell die Geologie bestimmt extrem spannend.“