Asowstal-Werk in Mariupol
APA/AFP/STRINGER
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Wie der Krieg Umwelt und Klima schädigt

Panzerfahrten, Explosionen und verminte Landschaften – der Krieg in der Ukraine ist nicht nur fürchterlich für die dort lebenden Menschen, auch die Umwelt und das Klima leiden unter den andauernden Konflikten. Böden, Gewässer und Luft sind laut einer Expertin schon jetzt extrem belastet.

Ende Februar hat Russland einen großangelegten Angriff auf die Ukraine gestartet. Einige Monate danach ist die Putins Armee immer noch auf dem Vormarsch – derzeit im Osten des Landes. Erst vor kurzem hat sie die Großstadt Lyssytschansk eingenommen – ein Zwischenerfolg für Russland.

Dass in einem solchen Konflikt in erster Linie die Menschen leiden, steht laut der Osteuropa- und Klimaexpertin Astrid Sahm außer Frage. Gegenüber science.ORF.at erklärt die Gastforscherin von der deutschen Stiftung Wissenschaft und Politik aber: „Wir haben es momentan mit mehreren Krisen zu tun, die bewältigt werden müssen.“ Es gehe nun unter anderem darum, weitere Eskalationen so gut es geht zu verhindern, Hunger zu vermeiden und damit auch Flüchtlingsbewegungen klein zu halten.

Verschmutzte Luft, kontaminiertes Wasser

Dabei sollten auch die Konsequenzen für das Klima nicht übersehen werden. Die Bewegung der Truppen verursacht große Mengen CO2. Panzer, Raketen und andere Kriegsmaschinerie würden Unmengen an Treibstoff benötigen.

Wie stark Umwelt und Klima tatsächlich darunter leiden, kann Sahm erst nach einem Ende des Krieges abschätzen. Schon jetzt sei aber klar, dass die Panzerfahrten, Explosionen und Co. bereits Spuren hinterlassen haben. „Es gibt extreme Luftverschmutzung, verdreckte Flüsse und kontaminiertes Trinkwasser.“

Krisenspirale

Außerdem werden Flächen vermint und zerstört, die sonst für den Anbau von Nahrungsmitteln oder den Naturschutz gebraucht werden. „In mindestens einem Drittel der ukrainischen Naturschutzgebiete gab es bereits Kriegshandlungen“, so Sahm. Die Artenvielfalt leide darunter sehr.

Die Zerstörung der landwirtschaftlichen Flächen steigere außerdem die Sorge einer Lebensmittelknappheit – nicht nur in der Ukraine, sondern global. Immerhin gilt das Land als die Kornkammer Europas und exportiert große Mengen an Getreide. Die Sorge, genug Nahrung zu haben, könne wiederum schnell zu weiteren Konflikten führen.

Sahm spricht daher von einer Art „Krisenspirale“: „Wir haben das Phänomen, dass die Klimakrise Konflikte verstärkt und zu deren Eskalation beiträgt. Gleichzeitig ist sie aber auch wieder Folge von bewaffneten Ausschreitungen und führt dann zu neuen Problemen.“

Ein ukrainischer Soldat steht vor dem Fluss Lozovenka nahe Charkiw
SERGEY BOBOK – AFP
Ukrainischer Soldat vor dem Fluss Lozovenka nahe Charkiw

Angst als Kriegswerkzeug

Die 15 Atomreaktoren in der Ukraine spitzen die Lage noch zu. Sollten sie beschädigt werden, hätte das katastrophale Folgen für Menschen und Umwelt. Darüber seien sich aber sowohl Russland als auch die Ukraine bewusst. „Hier wurde klar darauf gesetzt, Angst einzujagen und zu emotionalisieren – und das auf beiden Seiten.“

Russland habe die Angst in der ukrainischen Bevölkerung geschürt, von der Stromversorgung abgeschnitten zu werden. Die Ukraine habe hingegen auf die „Angst des Westens“ gesetzt, so Sahm, und gehofft, mehr Unterstützung zu erhalten.

Chancen in der Zerstörung

Laut Sahm gab es in der Ukraine vor dem Krieg einige Anstrengungen, einen Strukturwandel in der Energieversorgung zu erreichen. Das Land ist immer noch stark auf Kohlekraftwerke angewiesen. Zahlreiche Projekte rund um erneuerbare Energie und Kreislaufwirtschaft wurden laut Sahm bereits umgesetzt, viele davon sind nun aber wieder zerstört.

„Die Zerstörung schafft hier paradoxerweise auch gewisse Chancen, weil sich die Frage eines Strukturwandels dann nicht mehr stellt. Es gibt die Möglichkeit, nach einem Ende des Krieges neu und anders wieder aufzubauen“, so Sahm. Diese Chancen auch zu nutzen, sei aber mit großen Anstrengungen verbunden. „Es hängt momentan einfach sehr viel davon ab, wie der Krieg ausgeht und wie das Thema Klimaschutz danach angegangen wird.“

Klimaschutz in Russland

In Russland nehme man die steigenden Temperaturen durchaus ernst, meint Sahm. Zumindest seit einigen Jahren. Dem Land bleibe auch nichts anderes übrig, denn es sei von den steigenden Temperaturen stark betroffen. Vor allem in Gebieten wie Sibirien, dessen Permafrostböden immer weiter auftauen, sind sie ein Problem. Auch die Zahl der Waldbrände habe in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen.

„Das Thema wird nicht ignoriert, es wird aber trotzdem viel zu wenig getan“, so Sahm. Ihr zufolge ist der durchschnittliche CO2-Ausstoß der Russinnen und Russen immer noch rund doppelt so hoch wie im weltweiten Durchschnitt.

Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energien

„Der Krieg in der Ukraine zeigt uns klar, dass wir es uns nicht mehr leisten können, uns auf einzelne Krisen zu konzentrieren. Wir müssen sie in ihrer Gesamtheit und Komplexität sehen und angehen“, erklärt Sahm.

Ein wichtiger Schritt wäre etwa ein Ausbau der Kreislaufwirtschaft – nicht nur in der Ukraine, sondern international. Damit und mit Maßnahmen wie dem verstärkten Setzen auf erneuerbare Energien sei es eventuell möglich, die Weltbevölkerung weniger abhängig von den Ressourcen bestimmter Länder zu machen und das Konfliktpotential so nachhaltig zu senken.