Zorniger Bub mit Messer und Gabel vor leerem Teller
Daniel Jędzura/stock.adobe.com
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Gefühle

Bestätigt: Hunger macht grantig

Ein leerer Magen macht schlechte Laune. Diesen im Englischen auch als „hangry“ bekannten Gemütszustand bestätigt nun eine mehrwöchige Befragung. Sie zeigt, dass hungrige Menschen im Alltag tatsächlich reizbarer sind.

Hunger und Emotionen hängen zusammen. Viele wissen das und haben es bestimmt schon das ein oder andere Mal erlebt. Im Englischen gibt es sogar ein eigenes Wort dafür: „hangry“ – eine Mischung aus „hungry“ (dt. „hungrig“) und „angry“ (dt. „wütend“).

Im Detail untersucht wurde dieser Zusammenhang bisher aber kaum, meint der Psychologe Stefan Stieger von der Karl Landsteiner Universität in Krems – zumindest nicht außerhalb eines Labors. Zusammen mit einem Forschungsteam haben er und der Sozialpsychologe Viren Swami von der britischen Anglia Ruskin University in Cambridge das „hangry“-Gefühl daher genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „PLOS ONE“.

Zu wenig Energie führt zu Stress

Aus früheren Laborstudien sei bereits bekannt, dass Hunger Stress auslöst. Dem Körper fehle durch den niedrigen Blutzuckerspiegel nicht nur Energie, er schüttet auch einige Stresshormone aus. Dieses unangenehme Gefühl kann dabei schnell als Ärger oder Zorn fehlinterpretiert werden und die Wut auf andere verstärken. „Diese Laborexperimente sind sehr wichtig. Es muss dann aber auch untersucht werden, ob sich die Erkenntnisse aus dem Labor in der natürlichen Umgebung der Menschen widerspiegeln“, erklärt Stieger gegenüber science.ORF.at. Das Team hat daher erforscht, wie Hunger und Wut im normalen Alltag zusammenhängen.

Die Forscherinnen und Forscher nutzten Mobiltelefone, um die nötigen Daten zu erheben. 64 Probandinnen und Probanden aus Zentraleuropa mussten sich eine Smartphone-App herunterladen und drei Wochen lang fünfmal täglich kurze Fragebögen ausfüllen. Stieger: „Die Personen wurden unter anderem zu ihrem Hunger befragt, ihrem generellen Essverhalten, aber auch, wie gereizt sie sich fühlen oder wie zornig sie sind.“ Dem Team gelang es so, umfangreiche Daten aus dem Alltag der Probandinnen und Probanden zu sammeln und sie anschließend miteinander zu vergleichen.

Klarer Zusammenhang

Dabei fanden sie laut Stieger einen „klaren Zusammenhang“ zwischen Hunger, Ärger, Gereiztheit und einer generell negativen Emotionalität. Er erklärt: „Immer, wenn der Hunger groß war, waren es auch diese Gefühle.“ Die Daten zeigen: Jene Personen, die während der ganzen drei Wochen öfter angaben, hungrig zu sein, waren auch generell gereizter.

Konkret ergab die Untersuchung der Daten laut Stieger: „Wie sehr sich die Gereiztheit einer Person verändert, hängt zu über einem Drittel (37 Prozent) irgendwie mit dem Hungergefühl zusammen. Die restlichen zwei Drittel werden von anderen Faktoren beeinflusst.“ Ähnlich sah es bei den Gefühlen Wut (34 Prozent) und Vergnügen (38 Prozent) aus.

Die Forscherinnen und Forscher fragten in der App auch nach der generellen Erregung der Personen. Im Gegensatz zur Gereiztheit, Wut oder dem Vergnügen fanden sie dabei aber keinen signifikanten Zusammenhang mit dem Hungergefühl der Probandinnen und Probanden.

Essen ohne Hunger

Die gesammelten Daten zeigen außerdem, dass viele Menschen auch ohne Hungergefühl zum Kühlschrank gehen. Etwa 13 Prozent der Befragten gaben etwa an, öfter nur aus Stress, Wut oder Langeweile zu essen. Nur 23 Prozent der Befragten hören dann mit dem Essen auf, wenn sie satt sind. 63 Prozent essen danach trotzdem weiter. Einer der häufigsten genannten Gründe dafür war, dass ihnen das Gericht gut geschmeckt hat.

Gefühle verstehen

Laut Stieger ist das Ergebnis der Untersuchung unter anderem relevant, weil damit eine weithin bekannte Alltagshypothese auch empirisch belegt wird. „Vieles, was wir aus dem Alltag glauben zu wissen, stellt sich dann in genaueren Untersuchungen als falsch heraus – beim ‚hangry‘-Gefühl ist das nicht der Fall.“

Außerdem trage die Studie weiter zur Aufklärung bestimmter Gefühlslagen bei. Stieger: „Wenn ich besser verstehe, warum ich gerade besonders zornig oder gereizt bin, kann ich dagegen auch eher etwas unternehmen.“