Eine Maus hält beschämt die Vorderbeine über  die Augen
sibya / Pixabay
sibya / Pixabay
Mäusestudie

Wie Musik Schmerzen lindert

Musik wird in der Medizin oft angewandt, um zu beruhigen und Schmerzen zu lindern – etwa in Form leiser Hintergrundmusik beim Zahnarzt. Was dabei im Gehirn abläuft, haben nun chinesische Forscher und Forscherinnen untersucht.

Seit den 1960er Jahren weiß man, dass manche Klänge und Musik Stress und Schmerzen lindern können. Seither wird Musiktherapie unter anderem bei Zahnoperationen und postoperativen Behandlungen eingesetzt. Was dabei im Gehirn passiert, hat ein Team rund um Wenjie Zhou von der University of Science and Technology of China nun an Mäusen untersucht. Die Ergebnisse sind im Fachmagazin „Science“ erschienen.

Lautstärke ist wichtiger

Um herausfinden zu können, ob und wie Schmerzen durch Musik gelindert werden, riefen die Fachleute zunächst eine schmerzhafte Entzündungsreaktion in den Hinterbeinen der Mäuse hervor. Im Anschluss setzten sie die Tiere unterschiedlichen akustischen Reizen aus. Dazu gehörten klassische Musik, chaotische Tonfolgen und weißes Rauschen. Musik und Rauschen wurden zusätzlich in verschiedenen Abständen und Lautstärken verwendet.

Dabei zeigte sich, dass nicht die Art der Klänge Einfluss auf das Schmerzempfinden der Mäuse hat. Ausschlaggebend war die Lautstärke in Zusammenhang mit dem Umgebungslärm. Wenn die Lautstärke etwa fünf Dezibel (dB) – vergleichbar mit einem Flüstern – über den Geräuschen aus dem Umfeld liegt, stellte sich eine schmerzlindernde Wirkung ein. Diese hielt bis zu zwei Tage nach Abschalten der Musik und des weißen Rauschens an. Lag die Lautstärke hingegen zehn, 15 oder mehr Dezibel darüber, stellte sich dieser Effekt nicht ein.

Verbindung zwischen Hörzentrum und Thalamus

Mit Hilfe von fluoreszierenden Proteinen machten die Forscherinnen und Forscher jene Bereiche im Gehirn der Mäuse sichtbar, die in Bezug auf das Schmerzempfinden und die musikalischen Reize reagieren. Dabei identifizierten sie neuronale Netzwerke zwischen dem Hörzentrum im Temporallappen der Nager und dem Thalamus.

Neuronen im Mäusehirn, die durch Klänge aktiviert werden
Wenjie Zhou
Neuronen im Mäusehirn, die durch Klänge aktiviert werden

Der Thalamus ist im Gehirn eine Art Reizfilter, der nur die momentan wichtigsten Informationen an die Großhirnrinde (Cortex) weiterleitet. Dazu gehören auch Schmerzen. Werden die von den Forscherinnen und Forschern entdeckten neuronalen Netzwerke durch Klänge aktiviert, vermindert das die Übertragung der schmerzbezogenen Reize.

Potenzial für neue Schmerztherapien

Laut den Schmerzfachleuten Rohini Kuner und Thomas Kuner von der Universität Heidelberg, die die Studienergebnisse in einem begleitenden Kommentar – ebenfalls im Fachjournal „Science“ – einordnen, eröffnen die aktuellen Erkenntnisse neue Möglichkeiten der Schmerztherapie, die ungefährlicher sind als der Einsatz von Opioiden und anderen Schmerzmitteln.

„Musik und natürliche Geräusche haben einen positiven Effekt auf die Stimmung, lindern Stress und entspannen den Körper. Es ist nicht unvernünftig zu denken, dass diese Faktoren ebenfalls der Schmerzlinderung zugrunde liegen“, erklären Rohini und Thomas Kuner. Um genaue Aussagen für die Humanmedizin zu treffen, sind weitere Untersuchungen nötig, denn: „Es ist noch unklar, wie Tiere Musik wahrnehmen“, verdeutlichen die beiden.

Laut Yuanyuan Liu, Koautor der Studie, zeigten bildgebende Untersuchungen am menschlichen Gehirn, dass es vermutlich ähnliche Areale gibt, wie sie im Mäusegehirn entdeckt wurden. Die Ergebnisse der Studie sind dennoch mit Vorsicht zu genießen, wie Kuner und Kuner betonen: „Manche Geräusche können Beschwerden wie Kopfschmerzen verursachen oder diese verstärken.“ So sei es auch bei einer Phonophobie – der Angst vor bestimmten Geräuschen – der Fall, die häufig in Zusammenhang mit Migräne steht.