Windrad und Himmel mit Wolken
APA/ROBERT JAEGER
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Antikollisionssysteme

Windkraft mit Vogelschutz

Je mehr Windräder aufgestellt werden, desto höher wird auch das Risiko, dass Vögel mit Rotorblättern kollidieren. Antikollisionssysteme, die etwa mit Hilfe von Kameras gefährdete Vögel erkennen und Anlagen abschalten, können das Risiko senken. Zudem könnten diese Systeme wertvolle Daten für die Forschung liefern.

Die westliche Mittelmeerküste im Bereich von Frankreich, Südspanien und Marokko, sowie der Osten Rumäniens, die Sinai-Halbinsel und die deutsche Ostseeküste: Diese Regionen wurden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kürzlich als „Hotspots“ für Vogelkollisionen identifiziert. Es handelt sich dabei um Gebiete, die auf wichtigen Migrationsrouten von großen Segelfliegern wie Weißstörchen oder in der Nähe von Brutplätzen liegen.

Genaue Zahlen fehlen

Wie groß das Problem von Vogelkollisionen tatsächlich ist, ist schwer zu sagen. Es gebe zwar einzelne Untersuchungen, diese seien in der Regel aber nicht repräsentativ und könnten daher nicht hochgerechnet werden, sagt Elke Bruns, stellvertretende Direktorin des Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE) in Berlin.

Jedoch gehe man davon aus, dass es zu Kollisionen zwischen Vögeln und Windrädern kommen kann, erklärt die Expertin. Deshalb wurden Windräder in Deutschland bisher nur in einer bestimmten Entfernung zu Brutplätzen genehmigt oder mussten während der Brutperiode abgeschaltet werden. Steht der Rotor still oder befindet sich das Windrad im Trudelmodus, senkt das das Kollisionsrisiko.

Weniger Abschaltungen, mehr Ertrag

Solche Auflagen seien gerade angesichts von Laufzeiten von rund 20 Jahren mit relativ starken Ertragseinbußen für die Betreiber verbunden, sagt Elke Bruns. Weshalb das Interesse an technischen Systemen groß sei, die es ermöglichen die Anlage nur im Bedarfsfall, wenn sich Vögel nähern, abzuschalten. Nicht immer brüten Vögel im selben Gebiet oder suchen dieselben Nahrungsgebiete auf.

Ein vom KNE beauftragtes Gutachten kommt zum Ergebnis, dass sich der Ertragsverlust abhängig von Standort und Vogelaufkommen durch technische Antikollisionssysteme signifikant reduzieren ließe. An einem speziellen Standort konnten die Ertragsverluste dadurch von 28 auf bis zu vier Prozent reduziert werden, berichtet Elke Bruns. „Damit ließen sich auch die wirtschaftlichen Verluste signifikant verringern.“

Radar- und Kamerasysteme

Verfügbare Radar- und Weitwinkelkamera-Systeme hätten Schwierigkeiten, einzelne Vögel in Entfernungen von 500 Metern zu erkennen und ihre Flugroute zu bestimmen, berichtet die Expertin. Nur ein System, das Weitwinkel- und Stereo-Zoom-Kameras kombiniert, habe sich, was Erfassungsreichweite und Erkennungsrate betrifft, bewährt. Während die kreisförmig angeordneten Weitwinkelkameras eine 360 Grad Abdeckung gewährleisten, kann die frei bewegliche Stereo-Zoom-Kamera auf einzelne Vögel fokussieren und ihren Flugweg verfolgen.

„Die Stereo-Zoom-Kamera kann die Entfernung des Vogels zum Aufnahmepunkt bestimmen und so feststellen, ob der Vogel in Richtung der kritischen Gefahrenzone, also in Richtung Rotor fliegt, oder ob er möglicherweise auch wieder abdreht.“ Die Stereo-Zoom-Kamera-Systeme seien komplexer und teurer, dafür aber auch treffsicherer.

KI bestimmt Vogelarten

Ob es sich bei einem auf den Rotor zusteuernden Vogel um eine gefährdete Art handelt, wird automatisiert ermittelt; mit Hilfe einer Software, die mit vielen verschiedenen Bildern von Rotmilanen, Seeadlern und Störchen trainiert wurde.

Dass das weitgehend zuverlässig funktioniert, habe das System IdentiFlight in Deutschland bereits an sechs Standorten bewiesen, berichtet Elke Bruns. Die korrekte Erkennungsrate lag bei mehr als 90 Prozent. „Die anderen Systeme sind eine solche systematische Erprobung noch schuldig, aber wir hoffen, dass es bald weitere Erprobungsergebnisse gibt und sich dadurch das Spektrum der einsetzbaren Geräte auch erweitert.“

Erfahrungen im Alpenraum fehlen

Wie gut solche Systeme im Alpenraum funktionieren, muss erst erprobt werden. Die Topographie ist eine andere, ebenso die Vogelarten. Das System müsste neben Rotmilan und Mäusebussard auch Bartgeier und Steinadler erkennen und rechtzeitig abschalten. „Das sind ja Arten, die sehr schnell unterwegs sind und irgendwo haben die Systeme sicherlich auch eine Grenze“, räumt Elke Bruns ein.

Daten für die Forschung

Antikollisionssysteme können punktuell das Kollisionsrisiko senken und wertvolle Daten für die Forschung liefern. Denn derzeit weiß man noch wenig darüber, wie Vögel reagieren, wenn sie einer Windkraftanlage nahekommen.

Eine im Frühjahr veröffentlichte Forschungsarbeit konnte zeigen, dass ziehende Schwarzmilane Windkraftanlagen erkennen und ihnen ausweichen. Ob sich andere Arten ebenso verhalten, weiß man derzeit jedoch nicht, denn die Datenerhebung ist schwierig und zeitaufwendig. Hier könnten die Bilder der Kameras wertvolle Informationen liefern.