Eine Taschenlampe leuchtet in einem Abwasserkanal
APA/AFP/Anthony WALLACE
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Abwasseranalysen liefern genauen Überblick

Bereits 2020 wurde in Österreich begonnen, das Erbgut von SARS-CoV-2 in Abwasserproben von Kläranlagen nachzuweisen. Die Analysen sind mittlerweile Teil des Pandemiemonitorings. Sie spiegeln erstaunlich detailliert und exakt die Variantendynamik wider, bestätigt nun ein österreichisches Forschungsteam: Derzeit tut sich abgesehen von BA.5 eher wenig.

In Österreich wurden schon in der Frühphase der Pandemie Virusanalysen im Abwasser von Forschern der Universität Innsbruck, der Technischen Universität Wien und der Medizinischen Universität Innsbruck entwickelt. In weiterer Folge bauten Bildungs- und Gesundheitsministerium ein nationales Kläranlagen-Monitoringsystem auf. Österreichweit wurden dabei rund 100 Kläranlagen regelmäßig beprobt, um einen Überblick über das lokale Infektionsgeschehen und die zirkulierenden Varianten zu erhalten. Doch mit Ende des Schuljahres lief das sogenannte Schulstandortmonitoring aus. Übrig bleibt mit derzeitigen Stand die vom Gesundheitsressort geförderte Überwachung der 24 größten Kläranlagen Österreichs – deren Einzugsgebiet deckt rund die Hälfte der Bevölkerung ab.

Für die nun im Fachblatt „Nature Biotechnology“ veröffentlichte Studie griff das Team um Andreas Bergthaler vom CeMM und der Med-Uni Wien und Innsbrucker Forschern auf die Sequenzierungs- und Analysedaten von insgesamt 3.413 Abwasserproben aus über 90 kommunalen Einzugsgebieten bzw. Kläranlagen zurück, die zwischen Dezember 2020 und Februar 2022 entnommen wurden. Mittels einer eigens entwickelten Software konnten die beiden Erstautoren Fabian Amman vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und Rudolf Markt vom Institut für Mikrobiologie der Uni Innsbruck die räumlich-zeitliche Häufigkeit von Virusvarianten aus den Abwasserproben feststellen. Diese Daten wurden dann mit den Aufzeichnungen von mehr als 311.000 Einzelfällen, also nachgewiesenen Infektionen, gemeinsam mit den Infektionsepidemiologen der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) verglichen.

Exakter Spiegel

Die Ergebnisse würden zum ersten Mal weltweit bestätigen, dass die Abwasseranalysen einen sehr genauen Überblick über das Pandemiegeschehen eines ganzen Landes bieten und die Verbreitung von Virusvarianten in der Bevölkerung widerspiegeln. „Für jede Woche und jedes Einzugsgebiet, in denen laut epidemiologischem Meldesystem eine bestimmte Variante zumindest einmal auftrat, sehen wir in 86 Prozent der Proben derselben Woche ein entsprechendes Signal im Abwasser. Umgekehrt sehen wir in rund drei Prozent der Abwasserproben Varianten, die dem Patienten-basierten System entgangen sind“, so Amman.

Die durch Abwasseranalysen gewonnenen Daten würden eine Basis für die Vorhersage neu entstehender Varianten bieten und den Reproduktionsvorteil bedenklicher Varianten besser kalkulierbar machen, betonen die Forscherinnen und Forscher. Ein weiterer Vorteil sei, dass auch das Infektionsgeschehen in Personen, die keine Symptome haben bzw. das Testangebot nicht nutzen, damit erfasst werden. „Insgesamt zeigt die Studie, dass die abwasserbasierte Epidemiologie auf nationaler Ebene die öffentliche Gesundheit unterstützen kann und speziell Ländern ohne umfassende individuelle Überwachung nutzt“. Zudem zeige sie auch das Potenzial von Abwasseranalysen für die künftige verbesserte globale Überwachung anderer Infektionskrankheiten.