Künstlerische Illustration des Schwarzen Lochs
ESO/L. Calçada
ESO/L. Calçada
Astronomie

„Ruhiges“ Schwarzes Loch entdeckt

Astronominnen und Astronomen haben in einer Nachbargalaxie der Milchstraße ein besonderes Schwarzes Loch gefunden. Das rund 160.000 Lichtjahre von der Erde entfernte Objekt ist „ruhig“ – es verrät sich also nicht durch Strahlung, sondern nur durch seine Anziehungskraft.

Das in der Großen Magellanschen Wolke liegende ruhige Schwarze Loch ist den Fachleuten zufolge das erste, das außerhalb der Milchstraße entdeckt wurde. Zudem ist es offenbar durch einen „direkten Kollaps“ entstanden, also ohne begleitende Supernova-Explosion, schreiben sie im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Verschiedene Typen

Fachleute vermuten, dass es in der Milchstraße und den umliegenden Nachbargalaxien, der „lokalen Gruppe“, Milliarden solcher stellaren Schwarzen Löcher gibt. Tatsächlich bekannt sind jedoch nur einige wenige – nämlich solche, die mit einem weiteren Stern ein Doppelsystem bilden. Oft saugen die Schwarzen Löcher mit ihrer starken Anziehungskraft dann Materie von ihrem Partnerstern ab. Bevor dieses Gas in das Schwarze Loch stürzt, heizt es sich auf und sendet dann Strahlung im hochenergetischen Röntgenbereich aus – und verrät damit die Anwesenheit des Schwarzen Lochs.

„Stellare Schwarze Löcher sind die Überreste von großen Sternen mit ursprünglich mehr als der 15-fachen Masse unserer Sonne“, erläuterte Teamleiter Tomer Shenar von der Universität Amsterdam. Wenn ein solcher Stern seinen nuklearen Energievorrat aufgebraucht hat, kollabiert er unter seiner eigenen Anziehungskraft zu einem Schwarzen Loch. Meist geht diese Katastrophe mit einer Supernova-Explosion einher, bei der ein Teil der Sternmaterie ins All hinausgeschleudert wird.

Tatsächlich sollte es aber auch viele ruhige Schwarze Löcher geben, auf die keine Materie einströmt. Shenar und seine Kollegen haben für die Suche nach solchen ruhigen Schwarzen Löchern knapp tausend massereiche Sterne in der Region des Tarantelnebels in der Großen Magellanschen Wolke mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile ins Visier genommen.

Tarantelnebel
ESO
Tarantelnebel

Stern VFTS 243

Das Team wurde schließlich fündig: Bei dem heißen blauen Stern VFTS 243 stießen sie auf eine verräterische periodische Bewegung. Der Stern, der selbst die 24-fache Masse der Sonne enthält, bildet offenbar mit einem weiteren Objekt mit mindestens neun Sonnenmassen ein enges Doppelsystem. Alle 10,4 Tage umkreisen sich die beiden Objekte gegenseitig.

Dabei bleibt das zweite Objekt selbst völlig unsichtbar. Die Forscher suchten im Licht von VFTS 243 nach der Strahlung eines weiteren Sterns – ohne Erfolg. „Aus der Masse des unsichtbaren Objekts folgt damit, dass es sich um ein Schwarzes Loch handeln muss“, konstatierten Shenar und seine Kollegen. Und dieses Schwarze Loch ist zudem ruhig, es sendet auch keine Röntgenstrahlung aus. Damit wäre es erstmals gelungen, ein solches Schwarzes Loch außerhalb der Milchstraße aufzuspüren – ein wichtiger Schritt für die Einschätzung, wie viele derartige Objekte es gibt.

Ohne Supernova entstanden

Doch der dunkle Begleiter von VFTS 243 hatte noch eine weitere Überraschung parat: Die Umlaufbahnen des Doppelsystems sind offenbar nahezu kreisförmig. Wenn jedoch bei der Entstehung eines stellaren Schwarzen Lochs der kollabierende Stern seine äußere Hülle ins All abstößt, dann geschieht das nicht symmetrisch. Dadurch erhält das Schwarze Loch einen kräftigen Stoß – und gelangt so auf eine stark elliptische Umlaufbahn. In extremen Fällen kann das Schwarze Loch sogar aus dem Doppelsystem herauskatapultiert werden.

Die überraschend kreisförmige Umlaufbahn deute darauf hin, dass das Schwarze Loch von VFTS 243 ohne Supernova-Explosion entstanden sei. „In letzter Zeit gibt immer wieder Hinweise auf ein solches Szenario des direkten Kollapses“, erläuterte Shenar. „Aber unsere Studie liefert wohl einen der bisher direktesten Hinweise dafür.“