Ultraschallbild eines ungeborenen Kindes
AFP – ADEK BERRY
AFP – ADEK BERRY
Schwangerschaft

Pränataldiagnostik: Debatte fehlt

Pränataldiagnostische Untersuchungen liefern bereits lange vor der Geburt Hinweise auf kindliche Erkrankungen. In Deutschland wird ein solcher Test seit Kurzem von der Krankenkasse bezahlt. In Österreich fehlt die Diskussion darüber, kritisieren Fachleute – und betonen, wie wichtig eine umfassende Beratung bei den oft unklaren Diagnosen ist.

Die Messung der Nackenfalte via Ultraschall beim Kind kombiniert mit einer Blutuntersuchung der Mutter: Viele werdende Eltern lassen dieses Ersttrimesterscreening am Beginn einer Schwangerschaft durchführen. Es handelt sich dabei um eine Screening-Untersuchung, betont Inanna Reinsperger, die am Austrian Institute for Health Technology Assessment in Wien forscht. „Das bedeutet, es gibt keine Diagnose, sondern es ist ein Hinweis, eine Wahrscheinlichkeit. Und es gibt immer auch die Möglichkeit für falsch positive und auch falsch negative Testergebnisse.“

Wahrscheinlichkeiten als Testergebnisse

Ergibt das Screening eine erhöhtes Risiko für Trisomie 21, 18 oder 13, dann wird ein nichtinvasiver Pränataltest (NIPT) durchgeführt, berichtet die Expertin für Öffentliche Gesundheit. Dieser Test sei zwar auf Grund seiner höheren Spezifität und Sensitivität deutlich genauer, liefere aber auch kein eindeutiges Ergebnis.

Ob Auffälligkeiten wirklich Auffälligkeiten sind, hänge beispielsweise auch vom Alter der Frau ab. „Bei einer 40-Jährigen, die ein auffälliges Testergebnis hat, lieg die Wahrscheinlichkeit bei rund 90 Prozent, dass sie tatsächlich ein Kind mit Trisomie 21 hat. Bei einer 25-jährigen liegt dieser positive Vorhersagewert bei circa 50 Prozent.“ Das heißt: Bei der Hälfte der Frauen in diesem Alter hätten sich die Auffälligkeiten dann bei invasiven Tests, etwa bei Fruchtwasseruntersuchungen, nicht bestätigt, erklärt Inanna Reinsperger.

Positive Testergebnisse würden mit großen Unsicherheiten und auch psychischen Belastungen einhergehen. Zudem bergen invasive Untersuchungen ein Risiko für Fehlgeburten, wenn auch ein geringes. Die Entscheidung, solche Untersuchungen durchzuführen, sollte daher auf Basis einer umfassenden Beratung getroffen werden, rät die Forscherin.

Unterschiedliche Finanzierungen

Im Rahmen einer aktuellen Studie hat Inanna Reinsperger Regelungen und Finanzierung von vorgeburtlichen Untersuchungen in sechs europäischen Ländern analysiert, konkret in Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Norwegen, Großbritannien und Italien. Während in Österreich im Regelfall weder Nackenfaltenmessung noch Organscreening bezahlt werden, werden diese Untersuchungen in anderen Ländern sehr wohl öffentlich finanziert.

Das Organscreening wird in allen untersuchten Ländern übernommen. Das Ersttrimesterscreening wird in der Schweiz, Großbritannien und Italien allen Schwangeren angeboten und öffentlich finanziert. In Deutschland gilt der NIPT in bestimmten Fällen als Kassenleistung. In Norwegen und den Niederlanden wird nur mehr der NIPT angeboten und Schwangeren mit erhöhtem Risiko auch bezahlt. Invasive Tests werden in allen untersuchten Ländern Frauen mit entsprechenden Risikofaktoren angeboten und finanziert.

„In Österreich fehlt bisher eine öffentliche und gesellschaftliche Diskussion darüber, welche pränataldiagnostischen Untersuchungen von der öffentlichen Hand bezahlt und angeboten werden sollen“, sagt Reinsperger. Derzeit werden bei bestimmten Risikofaktoren (z.B. mütterliches Alter von 35 Jahren oder älter, Vorliegen von genetisch bedingten Erkrankungen in der Verwandtschaft ersten Grades) einzelne Untersuchungen öffentlich finanziert, sofern sie in Krankenanstalten durchgeführt werden.

Professionelle Beratung wichtig

Schwangere sollten sich vorab Gedanken machen, welche Konsequenzen ein positives Testergebnis für sie hätte, sagt die Forscherin. Wären sie trotz geringem Fehlgeburten-Risiko bereit, auch invasive Tests durchzuführen? Und wie stehen sie überhaupt zu Themen wie Schwangerschaftsabbruch und Leben mit einem Kind mit Behinderung? „Mein Eindruck ist, dass viele Frauen die Tests machen, weil sie denken, dass das halt dazugehört, oder weil sie bestätigt haben wollen, dass ihr Kind gesund ist, aber sich nicht vorab überlegen, welche Konsequenzen diese Untersuchungen für sie haben können.“

Man habe nie Gewissheit für ein gesundes Kind, sagt Reinsperger. Beeinträchtigungen können bei den Untersuchungen übersehen werden oder erst bei oder nach der Geburt entstehen. Wer sich sicher ist, dass ein Abbruch nicht in Frage kommt, sollte vielleicht bestimmte Tests nicht machen lassen oder sie nur machen, um sich besser auf ein Leben mit Kind mit Behinderung einstellen zu können. „Um zu entscheiden, welche Untersuchung man im konkreten Fall durchführen lassen möchte, braucht es sehr viele Informationen und eine gute, einfühlsame und neutrale Beratung.“

Ob eine solche stattfindet, hängt derzeit in Österreich von der jeweiligen Gynäkologin bzw. dem jeweiligen Gynäkologen ab. In Großbritannien und den Niederlanden ist eine professionelle Beratung hingegen Teil des Screening-Programms und wird meist durch zertifizierte Hebammen zu Beginn der Schwangerschaft durchgeführt.