Menschen, Menschenmasse
*Sindy* – stock.adobe.com
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Forschung

Was tun gegen Wissenschaftsskepsis?

Die Österreicherinnen und Österreicher stehen der Wissenschaft sehr skeptisch gegenüber. Um das Vertrauen nachhaltig zu steigern, muss laut der Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt bei der Bildung aufgeholt und die Kommunikation rund um wissenschaftliche Themen verbessert werden.

Seit der letzten Eurobarometer-Umfrage vom vergangenen September ist klar: Das Vertrauen in die Wissenschaft und die Akzeptanz von Forschung ist in Österreich nicht besonders groß. Die Umfrage mit Daten vom April und Mai 2021 zeigte etwa, dass nur 16 Prozent der Bevölkerung glauben, Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Gentechnik hätte einen sehr positiven Effekt – in dieser Kategorie lag Österreich auf dem letzten Platz unter den 27 EU-Mitgliedsstaaten.

Die vier Grundlagen der Skepsis

Trotz der zahlreichen bedeutenden Fortschritte in den letzten Jahren sinkt das Vertrauen in die Wissenschaft auch global. Psychologinnen und Psychologen aus den USA und Kanada haben die Faktoren untersucht, die dafür verantwortlich sein könnten. In einer Studie im Fachjournal „PNAS“ analysieren sie die Fundamente der allgemeinen Wissenschaftsskepsis.

Laut den Forscherinnen und Forschern ist das sinkende Vertrauen vor allem auf vier Faktoren zurückzuführen: Der Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Quellen, die Identifizierung mit eher wissenschaftsfeindlich eingestellten Gruppierungen, der Widerspruch der wissenschaftlichen Botschaften zur persönlichen Überzeugung und Unstimmigkeiten zwischen der Präsentation einer Botschaft und der eigenen Denkweise.

Selektive Skepsis

In diesen Faktoren sieht auch die Wissenschaftsforscherin Ulrike Felt von der Universität Wien ein Problem. Laut ihr sind die Gründe für den Vertrauensverlust jedoch meist komplex, vielfältig und miteinander verbunden.

Die Skepsis gegenüber Wissenschaft zu verallgemeinern, sei generell ein Fehler. Felt gegenüber science.ORF.at: „In meiner Forschungserfahrung hat sich erwiesen, dass Menschen sehr selektiv skeptisch gegenüber Wissenschaft sind.“ So glauben manche vielleicht nicht an die Vorteile der Gentechnikforschung, lassen sich aber bereitwillig von ihren Ärztinnen und Ärzten behandeln. Ein gewisses Vertrauen in die Wissenschaft sei also meistens noch gegeben.

Koppelung von Politik und Wissenschaft

Ein Faktor für die wachsende Wissenschaftsskepsis, der auch vom US-amerikanisch-kanadischen Forschungsteam um Aviva Philipp-Muller beschrieben wird, ist die immer stärker werdende Verbindung von Wissenschaft und Politik. „Menschen lehnen nicht Wissenschaft und Forschung als Paket ab, sondern vertrauen einfach oft der Quelle nicht – und da meine ich nicht den einzelnen Forscher oder die einzelne Forscherin, sondern die Institution, die dahintersteckt“, so Felt.

Gerade in der Pandemie habe sich gezeigt, dass Wissenschaft oft Teil der politischen Agenda sei. Wenn der Partei nicht vertraut wird, die zum Tragen der Schutzmasken aufruft, werde auch der Wissenschaft dahinter kaum Beachtung geschenkt.

Wer gilt als Experte?

Vor allem in den Anfängen der Pandemie waren bei politischen Diskussionen zahlreiche Virologinnen und Virologen anwesend, die über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu SARS-CoV-2 berichteten. Dass davon nicht alle für diese Aufgabe qualifiziert waren, steht laut Felt außer Frage: „Vor der Pandemie kannte ich nur wenige gute Virologen in Österreich – kurz nach dem Beginn der Pandemie waren dann aber auf einmal sehr viele Forscherinnen und Forscher Experten auf dem Gebiet.“

Schon die große Anzahl an unterschiedlichen Expertenmeinungen habe die Skepsis vieler verstärkt. „Wenn ich sehe, dass die Politik sich die Experten nach der Meinung, die sie vertreten, aussucht, kann ich das als Bürgerin oder Bürger auch“, gibt die Wissenschaftsforscherin zu bedenken. Für Felt ist daher klar: „Wir brauchen eine Diskussion über die Frage: ‚Wie gehen wir in der Politik mit wissenschaftlicher Expertise um?‘ Und da sollten wir die Schwachstellen identifizieren und uns sehr gut überlegen, wie wir das in Zukunft tun.“

Kommunikation überdenken

Dazu gehöre auch generell zu überdenken, wie Wissenschaft der Öffentlichkeit präsentiert wird. Die Ablehnung einzelner CoV-Schutzmaßnahmen habe etwa auch damit zu tun, wie die Vorschriften während der Pandemie kommuniziert wurden, meint Felt. „Wenn das als etwas rübergebracht wird, dass fix und fertig ist und das man nicht hinterfragen kann, sondern wo man nur ‚akzeptiere‘ oder ‚nicht akzeptiere‘ sagen kann, ist das nie sehr gut angekommen.“

Laut der Wissenschaftsforscherin ist es wichtig, nicht nur die fertigen Ergebnisse zu präsentieren, sondern auch den Forschungsprozess dahinter. So könnte die Bevölkerung besser verstehen, dass auch wissenschaftliche Erkenntnisse manchmal revidiert werden müssen oder neue Erkenntnisse alte ablösen. Dabei sieht Felt vor allem Journalistinnen und Journalisten in der Pflicht.

Aufholbedarf bei Bildung

Auch Facebook, Twitter, Instagram und Co. spielen beim Vertrauen in die Wissenschaft große Rollen. Sie bieten zwar viele Möglichkeiten, bergen aber auch Gefahren. Felt: „Die neuen Medien haben die Informationslandschaft in den letzten zwanzig Jahren maßgeblich verändert und sie haben ermöglicht, dass Menschen die Informationen finden, die sie gerne hätten.“

Die Wissenschaftsforscherin sieht den richtigen Umgang mit den sozialen Medien als „verschlafenes Problem“ in Österreich. Sich digital zu bilden, also zu lernen, wie man die Informationen aus dem Netz richtig einschätzt, sei heutzutage unabdingbar. „Es gibt zwar Diskussionen, dass das Thema in den Schulen immer stärker präsent ist, aber das hilft nur der nächsten oder sogar übernächsten Generation.“ Da die sozialen Medien bereits seit einigen Jahren existieren, sei man damit in Österreich zu spät dran.

Laut Felt gibt es also einen klaren Aufholbedarf im Bildungsbereich. Neben einer noch intensiveren Auseinandersetzung mit dem Thema an Schulen müssten auch die Weiterbildungsangebote für Erwachsene ausgebaut werden.

Verhärtete Fronten vermeiden

Um in wissenschaftsskeptischen Personen das Vertrauen wieder zu stärken, braucht es laut Felt vor allem eine Diskussion auf Augenhöhe. Der erste Schritt sei, das Gegenüber ernst zu nehmen – sei es in politischen Debatten oder im persönlichen Gespräch. „Wenn jemand nicht an etwas glaubt, dann darf man nicht einfach davon ausgehen, dass das an seiner eigenen Beschränktheit oder politischen Einstellung liegt.“

Dann komme es nämlich schnell zu verhärteten Fronten, die weitere Debatten erschweren. Laut Felt geht es daher auch darum, Gemeinsamkeiten zu finden und von dort aus weiterzuarbeiten. „Wenn wir verstehen, warum Menschen bestimmte Teile der Wissenschaft ablehnen, können wir unser Register an Handlungs- und Kommunikationsmöglichkeiten dementsprechend erweitern.“