Euro Münzen liegen auf Euro-Banknoten.
APA/dpa/Daniel Reinhardt
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Ökonomie

Inflation verstärkt Tendenz zum „Spatz in der Hand“

Inflation ändert die Art, wie Menschen wirtschaftliche Entscheidungen treffen: Sie wählen dann eher den „Spatz in der Hand“ als die „Taube auf dem Dach“ – bevorzugen also schnelle Belohnungen gegenüber höheren, die in der Zukunft liegen.

Das zeigt eine neue Studie mit mehr als 13.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 61 Ländern, darunter Österreich. Ein großes Team um Kai Ruggeri von der Columbia University (USA) hat sich darin dem Phänomen des sogenannten „temporal discounting“ angenommen, was wörtlich übersetzt „zeitliche Diskontierung“ bedeutet. „Ich würde es eher als ‚Abwerten zukünftiger monetärer Belohnungen‘ bezeichnen“, erklärte Sandra Geiger von der Stadt- und Umweltpsychologie der Universität Wien. Sie hat an der im Fachblatt „Nature Human Behaviour“ erschienenen Studie mitgewirkt, u.a. auch an der Befragung der rund 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Österreich.

Hohe Inflation dämpft Zukunftsbezug

Letztere mussten in dem Experiment eine Reihe von Fragen beantworten. Dabei wurden sie u.a. vor die Wahl gestellt, ob sie einen bestimmten Betrag sofort nehmen würden oder auf eine höhere Summe in einem Jahr warten würden. Die Fragen wurden dabei sowohl sprachlich als auch bei der Höhe des Betrags und der Währung an das jeweilige Land angepasst. „Die Szenarien waren hypothetisch, aber aus früheren Untersuchungen geht hervor, dass das Entscheidungsverhalten dabei ähnlich zu Studien ist, in denen tatsächlich Geld angeboten wird“, so Geiger. Zudem machten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Angaben zu ihren finanziellen Verhältnissen, ihrer Risikopräferenz, ihren wirtschaftlichen Aussichten und ihrer demografischen Situation.

Die Studie zeigte, dass die Tendenz zum Abwerten zukünftiger monetärer Belohnungen in allen Einkommensschichten weit verbreitet ist. Naheliegend ist dabei, dass ein niedriges Einkommen dazu ermutigt, unmittelbare Gewinne zu nutzen, auch wenn sie niedriger sind. „In einem schlechten wirtschaftlich Umfeld mit hohen Einkommensunterschieden und hoher Inflation zeigt sich jedoch, dass auch Menschen mit einem höheren Einkommen einen sofortigen geringeren Betrag statt einer späteren höheren Auszahlung bevorzugen“, betonte Geiger.

Beim Zahlen ist es anders

Gut zum Studienergebnis insgesamt passen die Resultate für Österreich (mit kleiner Stichprobengröße): „So wie in vielen anderen europäischen Ländern ist die Präferenz für kleinere sofortige Auszahlungen im Vergleich zu größeren, verzögerten Auszahlungen hierzulande geringer“, betonte Geiger.

Die Studie zeigte auch, dass Menschen bei ihrer Entscheidung nicht konsequent sind. Vor die Wahl gestellt, sofort eine kleinere Summe oder etwas später einen größeren Betrag zu erhalten, ziehen die meisten Menschen den kleineren sofortigen Betrag vor. Wenn es aber ums Zahlen geht, und nicht darum Geld zu erhalten, zahlen die meisten Menschen lieber gleich den kleineren Betrag – und verzichten damit sofort auf diese Summe in ihrer Geldbörse -, als später eine höhere Summe zu berappen, etwa weil Zinsen verrechnet werden.

Armut kein Sonderfall

Nach Ansicht der Fachleute könnten ihre Ergebnisse zu einer besseren Wirtschafts- und Sozialpolitik führen, etwa im Bereich Wohlfahrt. So werde oft angenommen, dass Menschen mit geringerem Einkommen eher ungünstige Entscheidungen – im Sinne der Bevorzugung der sofortigen Belohnung – treffen. „Unsere Studie zeigt aber, dass in einem ungünstigen wirtschaftlichen Umfeld alle – auch wohlhabende Menschen – dazu neigen, Entscheidungen zu treffen, die sofortige Klarheit über zukünftige Unsicherheit stellen. Ärmere Menschen sind also kein Sonderfall in Bezug auf ‚temporal discounting‘“, betonte Geiger.