Künstlerische Darstellung der ISS
NASA
NASA
ISS-Ausstieg

ESA-Chef: „Weltraum ist politischer geworden“

Russland will nach 2024 aus der Internationalen Raumstation ISS aussteigen, das wurde gestern erneut bekräftigt. Bei der Europäischen Weltraumagentur ESA gibt man sich angesichts dessen nicht alarmiert und sieht die Ankündigung als einen weiteren Schritt der Politisierung des Weltalls.

Die Ankündigung Russlands, nach 2024 aus der ISS auszusteigen, überrasche ihn nicht, sagt der Generaldirektor der Europäischen Weltraumagentur ESA, Josef Aschbacher. Schon mehrmals seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs habe Russland einen Rückzug aus der ISS angedeutet.

„Jetzt muss man abwarten, wann genau Russland aussteigen will. Es kann 2025 oder 2030 sein. Für die Raumstation wäre es natürlich besser, wenn der Ausstieg eher später wäre als früher“, so der aus Tirol stammende ESA-Chef im Ö1-Interview. Denn die Laufzeit der ISS ist auf 2030 begrenzt, danach soll der Betrieb auslaufen. Derzeit stellt Russland rund die Hälfte der ISS-Besatzung und sorgt teilweise für den Transport von Menschen und Material.

Strategische Kommunikation

Dass Russland nun seine Ankündigung auszusteigen wiederholt, verwundert den ESA-Chef nicht. Der Weltraum sei Teil der strategischen Kommunikation Russlands, das sehe man auch daran, dass das Land bei einem anderen Thema ganz anders agiere: Beim Transport von Kosmonauten zur ISS hat man erst kürzlich ein Übereinkommen mit den USA geschlossen: „Russische Kosmonauten können mit einer SpaceX-Kapsel fliegen und amerikanische Astronauten mit der Sojus-Rakete.“ Diese Übereinkunft wurde gerade unterzeichnet, so Aschbacher, und sie werde auch demnächst implementiert. Er sieht hier „ein Zeichen, dass Russland und Amerika wirklich gut zusammenarbeiten.“

Und auch die Zusammenarbeit zwischen Europa und Russland funktioniere derzeit gut: Erst vor wenigen Tagen waren eine Europäerin und ein russischer Kosmonaut auf einem siebenstündigen Außeneinsatz bei der ISS. Auch gemeinsame Forschungsprojekte werden vorerst fortgesetzt.

China baut an Konkurrenz im Weltall

Mit im Vergleich größerer Sorge beobachtet man bei der ESA derzeit die Aktivitäten Chinas, das erst vor zwei Tagen seine Raumstation um ein Labormodul aufgestockt hat: „China baut eine konkurrierende Kapazität auf und betreibt sie unabhängig von anderen Partnern.“ Die Geschwindigkeit des chinesischen Raumfahrtprogramms sei „beeindruckend“, so der ESA-Chef. Insgesamt habe sich die Rolle des Weltraums in der internationalen Politik zuletzt stark verändert, er sei politischer und Teil der irdischen Polarisierung geworden. „Das nehme ich mit Bedauern zur Kenntnis, das ist sicher nicht gut. Aber es ist ein Faktum, dass die geopolitische Lage am Boden sich auch im Weltraum spiegelt.“

Derzeit befinden sich sieben Menschen an Bord der Internationalen Raumstation ISS, drei aus Russland, drei aus den USA und mit Samantha Christoforetti eine Italienerin. Seit dem Jahr 2000 betreiben wechselnde Langzeitbesatzungen die ISS, die Station gilt auch als Symbol für friedliche Zusammenarbeit im Weltall – trotz politischer Spannungen auf der Erde.