Ein Hochzeitspaar, dahinter noch weitere
AFP – ANWAR AMRO
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Studie

Verheiratete Männer leben länger als ledige Frauen

Obwohl die Lebenserwartung von Männern generell kürzer ist, haben sie im Einzelfall doch eine gute Chance, länger als Frauen zu leben. Wie eine neue Studie mit Daten aus 200 Jahren zeigt, sind dabei Bildung und Beziehungsstatus wichtig: Verheiratete und gut gebildete Männer „überleben“ unverheiratete und wenig gebildete Frauen.

„Männer leben kürzer als Frauen“ – diese Aussage ist wahrscheinlich den meisten Menschen bekannt, zahlreiche Studien haben sie in der Vergangenheit bereits bestätigt. Die Gründe dafür sind vielfältig – sie reichen von einem generell ungesünderen Lebensstil und der größeren Neigung, zu Zigaretten oder Alkohol zu greifen, bis hin zu gängigen Mutationen im Körper, wie dem Verlust von Y-Chromosomen in den Blutstammzellen vieler Männer.

Auch andere Faktoren, wie etwa die finanzielle Sicherheit, wirken sich auf die durchschnittliche Lebenserwartung einer Bevölkerung aus. So leben wohlhabendere Menschen im Schnitt länger als finanzschwächere – auch in Österreich.

Kaum Aussagekraft für Individuen

Durchschnittswerte in Sachen Lebenserwartung werden außerdem durch einzelne Phänomene systematisch verzerrt – etwa dass in den meisten Ländern mehr männliche als weibliche Babys sterben, wie ein Team um den Populationsforscher Jesús-Adrian Álvarez von der Universität Süddenemark in einer Studie schreibt, die soeben im „British Medical Journal“ erschienen ist.

„Immer nur die durchschnittliche Lebenserwartung zu erforschen, ist nicht genug. Wer wie lange lebt, hängt von vielen Faktoren ab und muss daher auch dementsprechend genau analysiert werden", so Álvarez gegenüber science.ORF.at

Gesagt, getan – mit einem Team dänischer Forscherinnen und Forscher hat Álvarez umfangreiche Todesstatistiken aus den Jahren 1751 bis 2020 untersucht und analysiert (etwa diese und jene). Darin waren Daten von knapp 200 Bevölkerungsgruppen aller Kontinente enthalten.

Männer können Frauen überleben

Die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer ist zwar global geringer als jene der Frauen, im Einzelfall sei das aber oft anders, so Álvarez. Die Forscherinnen und Forscher analysierten, wie häufig es im Untersuchungszeitraum vorkam, dass Männer Frauen sozusagen überlebten. In allen untersuchten Ländern war das bei 25 bis 50 Prozent der Männer tatsächlich der Fall.

„Dass von vier Männern mindestens ein oder zwei länger leben als Frauen, stellt die bisherigen Erkenntnisse zur durchschnittlichen Lebenserwartung zumindest zum Teil in Frage“, so Álvarez. Die verallgemeinerte Aussage „Männer leben kürzer als Frauen“ sei demnach in vielen Fällen nicht korrekt.

Die Fachleute fanden außerdem heraus, dass Männer manchmal eine über 50-prozentige Chance hatten, länger als Frauen zu leben. Konkret war das unter anderem in Island im Jahr 1891, im Iran zwischen 1950 und 1964 sowie in Indien vor 1985 der Fall.

“Gender-Gap“ in Österreich wird kleiner

Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch umfangreiche Daten aus Europa – darunter aus Österreich aus den Jahren 2015 bis 2020. Álvarez: „In Österreich hat der Unterschied bei der durchschnittlichen Lebenserwartung zwischen Männern und Frauen in dieser Zeit 4,9 Jahre betragen. Gleichzeitig lag die Chance von Männern, länger als Frauen zu leben, aber bei rund 40 Prozent.“

In Österreich sei der Unterschied zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen ständig am Schwanken, aber generell am Schrumpfen, so Álvarez – eine langjährige Entwicklung, die in ganz Europa zu beobachten sei.

Das Problem dabei: „Dass sich die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern an die der Frauen angleicht, liegt leider nicht an einer Verbesserung der Lage für die Männer. Vielmehr liegt es daran, dass die Situation der Frauen schlechter wird.“ Konkret: an einer Zunahme gesundheitlicher Probleme und dem immer ungesünderen Lebensstil vieler Frauen.

Einfluss von Bildung und Beziehungsstatus

Anhand von Daten aus den USA untersuchten die Forscherinnen und Forscher außerdem, wie sehr sich Bildung und Beziehungsstatus auswirken – und fanden tatsächlich Unterschiede. Männer mit Universitätsabschluss leben etwas länger als Frauen ohne einen solchen, verheiratete Männer etwas länger als unverheiratete Frauen (Wahrscheinlichkeiten von 53 Prozent bzw. 52 Prozent).

Aber: In allen vergleichbaren Gruppen haben die Frauen dennoch die Nase vorne. So liegt die Wahrscheinlichkeit, dass verheiratete Frauen länger leben als verheiratete Männer bei 61 Prozent – genauso hoch wie beim Vergleich von Frauen und Männern ohne Uniabschluss.

Die Gründe für die Wichtigkeit von Bildung und Beziehungsstatus wurden in der Studie aus Dänemark nicht untersucht. Álvarez spekuliert aber: „Verheiratete Männer sind wahrscheinlich weniger dazu bereit, Risiken einzugehen und achten zusammen mit ihren Partnerinnen oft besser auf ihre Gesundheit.“ Ähnlich sehe das beim Bildungsgrad der Personen aus – jene mit Universitätsabschluss würden sich oft eher mit ihrem Körper und ihrer Gesundheit auseinandersetzen.

Grundlage für weitere Forschung

Álvarez sieht in der neuen Studie eine gute Grundlage, die globale Lebenserwartung künftig genauer zu erforschen: „Nur auf den globalen Durchschnitt zu achten, ist nicht genug. Ich glaube, dass unsere Studie die Türen öffnet, unsere Methode auch auf andere Datensätze anzuwenden und so in Zukunft noch mehr über die Lebenserwartung einzelner Individuen zu erfahren.“