Eine junge Frau lächelt während sie sich umsieht
Getty Images/Luis Alvarez
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Psychologie

Wie das Glück zurückkehrt

Das Leben „im Griff zu haben“ ist für die meisten ein wichtiger Teil von Glück. Bei Trennung oder Tod von geliebten Menschen kann das Gefühl aber schnell verloren gehen. Die gute Nachricht deutscher Psychologinnen: Es kommt wieder zurück – so wie die meisten überhaupt ein persönliches „Glückslevel“ haben, das auch Erschütterungen standhält.

Warum verläuft das eigene Leben so, wie es verläuft? Haben wir selbst die Zügel in der Hand oder sind es eher andere Menschen bzw. Zufall oder Schicksal? Je nachdem, wie wir diese Fragen beantworten, neigen wir eher zu einer „internalen“ oder einer „externalen Kontrollüberzeugung“ – so heißt es im Fachjargon der Psychologie.

Mehr Kontrolle, mehr Optimismus

Wobei jene, die eher glauben, ihr Leben selbst aktiv gestalten zu können, tendenziell gesünder sind, ein höheres Selbstwertgefühl haben und in Schule und Beruf erfolgreicher sind. „Das ist auch kein Wunder“, sagt die Persönlichkeitspsychologin Eva Asselmann gegenüber science.ORF.at. „Denn wenn ich davon ausgehe, dass ich Dinge beeinflussen kann, bin ich in der Regel optimistischer, positiver und anpackender.“

Die Psychologin Eva Asselmann
Jens Gyarmaty

Eva Asselmann ist Psychologieprofessorin an der Health and Medical University in Potsdam. Ende August erscheint ihr Buch „Woran wir wachsen“ im Verlag Ariston.

Diese Menschen seien auch in Partnerschaften glücklicher, weil lösungsorientierter. „Wenn sie an ihrem Partner etwas stört, sind sie eher dazu bereit, das Problem anzusprechen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Und das kann dazu beitragen, dass die Beziehung insgesamt zufriedenstellender ist“, so die Psychologin. Stabile soziale Beziehungen steigern das Sicherheitsgefühl, was wiederum das Gefühl verstärken kann, das Leben „im Griff zu haben“ – ein positiver Kreislauf und wichtiger Baustein von Glück.

Ein Jahr nach Trennung wieder obenauf

Aber auch die stabilsten Partnerschaften können enden, entweder schleichend durch langsame Entfremdung oder plötzlich nach Krankheit und Tod. Wie sich derartige einschneidende Ereignisse auf die eigene Kontrollüberzeugung auswirken, hat Asselmann mit ihrer Kollegin Jule Specht für eine Studie untersucht, die soeben im Fachmagazin „PLOS ONE“ erschienen ist.

Ursprünglich dachten die beiden Psychologinnen, dass Trennungen generell zu einem Gefühl von Kontrollverlust führen. „Überraschenderweise war das aber nur bedingt der Fall“, so Asselmann zu der Befragung von über 2.000 Personen. Kurzfristig verstärkt sich zwar vor allem bei getrennten Frauen tatsächlich der Eindruck, dass das Leben von externen Faktoren – von Glück oder Schicksal – abhängt. Nach rund einem Jahr steigt die Überzeugung, das Leben selbst im Griff zu haben, aber wieder stark an.

Die Erklärung der Psychologin: „Zu Beginn dominiert Trauer. Man glaubt nicht, dass man über den Verlust hinwegkommt – das bedeutet auch Kontrollverlust. Nach einiger Zeit kommen aber doch die meisten über die Trennung hinweg, sie lernen einen neuen Partner kennen oder sie richten sich im Singlestatus ein. Und sie machen die Erfahrung, dass sie besser mit dem Verlust umgehen können, als sie das selbst dachten.“ Das könne das Gefühl, selbst die Zügel des Lebens in der Hand zu haben, wieder beflügeln.

Kontrollgewinn nach Tod des Partners

Nach dem Tod des Partners oder der Partnerin sei diese Entwicklung sogar noch schneller. Denn meistens gehen dem Tod schwere Krankheiten voraus – Pflegebelastung, Arztbesuche und Einschränkungen inklusive. „Natürlich trauern die Hinterbliebenen. Sie gewinnen aber auch neue Gestaltungsräume, und das könnte erklären, warum sie schnell das Gefühl entwickeln, ihr Leben wieder stärker unter Kontrolle zu haben.“

Ähnlich ist es laut der Studie auch nach Scheidungen. Auch hier gibt es zumeist eine längere Vorgeschichte, die im förmlichen Akt der Scheidung nur kulminiert – auf das Kontrollgefühl wirkt er sich deshalb nicht aus.

Bei Frauen ist das Gefühl von Kontrollverlust nach einer Trennung übrigens deutlich stärker als bei Männern. Das könne daran liegen, dass sie sich dann (noch) mehr um Kinder kümmern und Care-Tätigkeiten verrichten müssen und sich entsprechend „fremdbestimmt“ fühlen. Außerdem identifizieren sie sich durchschnittlich stärker mit ihrer Rolle als Partnerin oder Mutter. „Wenn die dann wegfällt, ist das natürlich ein stärkerer Schlag“, so Asselmann.

Frau blickt in die Ferne, in Himmel mit Sonne und Wolken, Blick in die Zukunft
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Persönlichkeit entwickelt sich weiter

Ob man eher fremden Mächten oder sich selbst die Verantwortung für das eigene Leben zuschreibt, ist laut der Psychologin Resultat von genetischen und Umweltfaktoren, allen voran den Erfahrungen in der Kindheit. „Überfürsorgliche Helikopter-Eltern, die ihren Kindern alle Entscheidungen abnehmen, etwa signalisieren, dass die Welt unsicher ist, und sabotieren die Idee, dass sie diese mitgestalten können.“ Mehr Selbstverantwortung schon in jungen Jahren führe später auch eher zum Gefühl, das Leben „im Griff zu haben“.

Die gute Nachricht: Die Persönlichkeit entwickelt sich zeitlebens weiter. Zum einen einfach aufgrund der unterschiedlichen Herausforderungen, die die Lebensabschnitte stellen – Jugendliche fühlen sich tendenziell weniger selbstgesteuert, junge Erwachsene, die in den Beruf einsteigen und Familien gründen, am stärksten, im Alter sinkt das Autonomiegefühl durch Krankheiten etc. wieder ab. Zum anderen gebe es aber auch Techniken, um am Gefühl der Selbstkontrolle – und damit von Glück – zu arbeiten.

Individuelles Glücksniveau

Laut der Setpoint-Theorie der Psychologie haben alle Menschen eine Art „Sollwert“ von Wohlbefinden. Positive oder negative Erfahrungen können zwar dazu führen, dass wir uns kurzfristig besser oder schlechter fühlen. Auf längere Sicht aber kehren wir wieder zum bekannten „Glücksniveau“ zurück. Das gilt auch für den Tod eines geliebten Partners und sogar des eigenen Kindes, wie Eva Asselmann vor Kurzem in einer weiteren Studie herausgefunden hat. Fünf Jahre nach dem schmerzhaften Verlust pendelte sich das subjektive Wohlbefinden wieder auf Normalniveau ein.

Die Menschen seien zu erstaunlichen Anpassungsleistungen imstande, so die Psychologin. Um das Leben besser in den Griff zu bekommen und das eigene Glück zu fördern, müsse man das Rad nicht neu erfinden. „Es sind nicht die vermeintlich großen Glücksbringer, die Menschen glücklich machen, wie ein Lotteriegewinn oder eine Heirat. Natürlich erhöhen solche Ereignisse kurzfristig das Glücksgefühl, das ebnet sich aber bald wieder ein“, sagt Asselmann.

Wichtiger seien die kleinen „Glücksinseln“ im Alltag, die es zu kultivieren gelte: Dinge etwa, die man gut und gerne macht, tatsächlich und regelmäßig zu machen; Stress verringern, das Glas lieber halb voll zu sehen als halb leer. Da gelte erst recht in den aktuellen Krisenzeiten von Pandemie bis Krieg und Klima. „Gerade dann ist es wichtig, sich mit dem eigenen Wohlbefinden auseinanderzusetzen und darauf zu achten, Dinge zu tun, damit es einem besser geht.“