Bioprodukte im Supermarkt
APA/dpa/Daniel Karmann
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Konsum

57.000 Produkte im Klimacheck

Wer klima- und umweltfreundlich einkaufen möchte, hat es besonders bei verarbeiteten und verpackten Lebensmitteln nicht leicht. Ein britisches Forschungsteam hat nun den Umwelteinfluss von 57.000 Supermarktprodukten in Großbritannien und Irland ausgerechnet: Meist sind die gesündesten Nahrungsmittel auch die nachhaltigsten.

Dass Fleisch und andere tierische Produkte klima- und umweltschädlicher sind als die meisten pflanzlichen Produkte, ist mittlerweile vielen Menschen bewusst. So einfach ist die Rechnung im Alltag aber selten. Denn nur wenige kaufen ausschließlich unverarbeitete Lebensmittel, die häufig erst noch zubereitet werden müssen.

Konsumentinnen und Konsumenten greifen gern zu fertigen und bereits verarbeiteten Produkten, im Supermarkt gibt es Tausende davon. In der Regel beinhalten diese deutlich mehr als nur eine Zutat, meist eine ganze Liste. Dadurch wird es bei Weitem schwieriger zu beurteilen, wie problematisch das Produkt für Klima und Umwelt insgesamt ist. Denn das hängt nicht nur von den einzelnen Inhaltsstoffen ab, sondern auch von der Menge, in der diese enthalten sind.

Hochrechnung der Inhaltsstoffe

Wie die Forscherinnen und Forscher um Michael Clark von der University of Oxford in ihrer soeben im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie schreiben, kenne man die detaillierte Zusammensetzung nur bei einem Bruchteil. Bei den 57.185 Speisen und Getränken aus acht Supermarktketten in Großbritannien und Irland, die für die aktuelle Analyse berücksichtigt wurden, war sie nur für drei Prozent öffentlich verfügbar. Für den Rest mussten die Anteile indirekt berechnet werden: Die Reihung der Inhaltsstoffe auf der Verpackung entspricht wie auch in Österreich den relativen Mengen. Geschätzt wurden die absoluten Mengen dann auf Basis vergleichbarer Produkte.

Anschließend berechnete das Team, wie klima- bzw. umweltschädlich 100 Gramm der Lebensmittelprodukte sind. Vier Aspekte wurden dabei berücksichtigt: Treibhausgase, Land- und Wassernutzung sowie der Nährstoffeintrag, der etwa zu Algenblüten führt oder andere Lebewesen das Leben kostet. Die Bewertungen stammen u. a. aus der Hestia-Datenbank, die Umweltkosten verschiedener Lebensmittel erfasst. Für Informationen zu den Inhaltsstoffen haben die Forscherinnen und Forscher u. a. die Plattform fooDB verwendet, auf der Daten zu britischen Speisen und Getränken gesammelt werden. Die Bewertung pro Produkt wurde in einer Zahl von null bis 100 Punkten zusammengefasst. So lassen sich die Konsumgüter besonders leicht vergleichen, heißt es in der Studie.

Wie wichtig eine solche einfache Kennzeichnung ist, betont auch Elfriede Penz, Wirtschaftspsychologin an der Wirtschaftuniversität Wien, gegenüber science.ORF.at: „Je einfacher ein Reiz, desto wirksamer ist die Kennzeichnung.“ Das helfe vor allem jenen Personen, die beim Einkaufen nicht viel Zeit und wenig Energie haben und daher gewohnheitsmäßig entscheiden. Nützlich seien etwa Ampelsystem, die jeder schnell versteht.

Von null bis 100

Die geringsten Werte bei den britischen Supermarktprodukten erzielten zuckerhaltige und andere Getränke, ihr Hauptbestandteil ist Wasser, klimatechnisch fallen sie also kaum ins Gewicht. Produkte aus Obst, Gemüse, Zucker und Mehl wie etwa viele Suppen, Salate, Snacks, Brot und viele Frühstücksflocken haben auch nur sehr geringe Werte. Desserts und Kuchen sowie Fertigprodukte wie Pizza liegen im Schnitt bereits etwas darüber. Fleisch-, Fisch und Milchprodukte befinden sich am oberen Ende der Skala. Den höchsten Wert erzielen Trockenfleischprodukte.

Besonders bei einander ähnlichen Produkten könnte die neue Kennzeichnung den Konsumentinnen und Konsumenten helfen. Wie die Studienautoren und -autorinnen etwa berichten, erzielt der Großteil der Frühstücksflocken einen sehr geringen Wert, ein Bruchteil hat aber deutlich höhere Werte, z. B. wenn die Produkte Schokolade enthalten. Große Unterschiede gebe es auch bei Fertiglasagne, Keksen, Fleisch und seinen Alternativen sowie Pesto. Bei Lasagne sei etwa das verwendete Fleisch ausschlaggebend: Rindfleisch schlägt am meisten zu Buche, am besten schneiden vegetarische und vegane Varianten ab. Beim Pesto sind es die verwendeten Nüsse. Solche Informationen könnten laut der Studie den nachhaltigen Konsum erleichtern, ohne die gesamte Ernährung umstellen zu müssen.

Nachhaltig und gesund

In einem weiteren Schritt analysierte das Team, ob nachhaltige Lebensmittel auch gesund sind. Um die Qualität zu bewerten, wurde der Nutri-Score verwendet, ein Ampelsystem zur Nährwertkennzeichnung, das mittlerweile in mehreren Ländern verwendet wird. Dabei zeigte sich, dass die ökologische Wahl meist auch die gesündere ist, etwa bei Fleisch und Fleischalternativen. Es gibt aber auch Ausnahmen, etwa zuckerhaltige Getränke, die bekanntlich nicht sehr gesund sind. Umgekehrt gibt es auch eine paar Lebensmittel, die zwar sehr gesund, aber nicht besonders nachhaltig sind, z. B. Produkte mit Fischen, Meeresfrüchten und Nüssen.

Mehr Umweltbewusstsein

Laut den Forscherinnen und Forschern könnte das neue System nachhaltige Kaufentscheidungen erleichtern. Hochverarbeitete Produkte mit vielen Inhaltsstoffen seien im Supermarkt Standard. Das einfache Bewertungssystem mache sie nun vergleichbar.

Für Penz hat eine solche leicht verständliche Kennzeichnung mitunter einen Nutzen, der über einzelne Kaufentscheidungen hinausgeht. Sie kann zu einem allgemein umweltfreundlicheren Verhalten führen. Die Möglichkeit, bewusste Kaufentscheidungen treffen zu können, vermittle ein Gefühl von Selbstwirksamkeit. „Diese Selbstwirksamkeit ist im nachhaltigen Konsum ein sehr wichtiger Aspekt. Viele haben doch oft das Gefühl, ich kann ja gar nichts bewirken“, so die Wirtschaftspsychologin. Menschen, die sich selbstwirksam fühlen, engagieren sich auch häufiger in Klima- und Umweltschutz.

Das in der Studie präsentierte Modell hat laut seinen Urhebern noch einige Lücken, die noch gefüllt werden müssten. Dazu zählt etwa die genaue Herkunft der Inhaltsstoffe und ihre landwirtschaftliche Produktionsweise. Unklarheiten bei der Nachhaltigkeit gebe es auch aufgrund der verschiedenen Produktgrößen und Mengen, in denen bestimmte Lebensmittel konsumiert werden.