Ausgetrocknete Zweige eines Baumes vor der Sonne
APA/Harald Schneider
APA/Harald Schneider

Hitze und Dürren schaden Wirtschaft und Gesellschaft

Extreme Hitze und lang anhaltende Dürreperioden könnten laut einer neuen Studie bisher unterschätzte Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben – bis hin zur Schädigung ganzer sozio-ökonomischer Systeme. Für eine angemessene Risikobewertung brauche es vernetzteres Denken.

Acht gut dokumentierte Extremereignisse der vergangenen zwei Jahrzehnte in Europa, Afrika und Australien hat Laura Niggli von der Universität Zürich mit ihren vier Mitautoren und -autorinnen auf Auswirkungen in den unterschiedlichsten Sektoren untersucht. Unter die Lupe genommen wurde etwa die extreme Hitzewelle, die im Jahr 2003 in Europa rund 80.000 Tote forderte, und ein ähnliches Ereignis in Russland, wo 2010 über 55.000 Hitzetote gezählt wurden.

Die lange anhaltende Trockenheit in Kapstadt 2016 bis 2018, die drastische Auswirkungen auf Wasserversorgung und Nahrungsmittelproduktion hatte, wurde ebenso studiert wie die großen Buschbrände 2019/20 in Australien, die katastrophalsten in der Geschichte des Landes. Die ökonomischen und ökologischen Folgen seien außerordentlich vielfältig gewesen, heißt es in der nun im Fachjournal „PLOS Climate“ veröffentlichten Studie. Nicht nur der Gesundheitsbereich, auch Energie- und Wasserversorgung waren fast immer stark betroffen.

Ein Problem dabei: Je heißer es ist, desto mehr Strom für Kühlung wird benötigt. „Die erhöhte Stromnachfrage während extremer Hitzeperioden kann eine Lücke zwischen Nachfrage und Angebot entstehen lassen“, heißt es in der Studie. „Zumal der Energiesektor bereits stark von Hitze- und Dürreextremen betroffen ist und unter Effizienzverlusten und Einbußen bei Erzeugung als auch bei der Verteilung von Strom leidet.“

Art der Energie entscheidend

Konkreter wird Laura Niggli gegenüber der APA: "Entscheidend ist, wo die Elektrizität herkommt und wie sie produziert wird. AKW sind anfällig wegen ihres Bedarfes an Kühlwasser, der schnell im Konflikt steht zur Erhaltung der Flussökologie sowie zu der Nachfrage in der Landwirtschaft. Wasserkraft, sei es in Form von Laufkraft- oder Speicherkraftwerken, ist anfällig gegenüber lang anhaltender Trockenheit. Hier muss bereits frühzeitig das Management angepasst werden und nicht erst mitten in einer Dürresituation.

Es werden hier zunehmend Konflikte ums Wasser offensichtlich, auch in den Alpenregionen unserer Länder", so die Wissenschaftlerin, die diese Art der Stromproduktion im Interessenskonflikt etwa mit der Bewässerung für die Landwirtschaft, mit der Beschneiung im Winter und mit ökologischen Fragen sieht. „Wichtig bei der Stromerzeugung ist daher auch die Diversifizierung der Produktion und eine sektorübergreifende Planung mit Möglichkeiten flexibler Anpassungen zur intelligenten Nutzung mit geringer Verschwendung.“

Auswirkung auf Infrastruktur

Im Transportwesen könne es etwa durch Behinderungen in der Flussschifffahrt (aufgrund von Niedrigwasser wie derzeit etwa an der Elbe) oder bei Bahn- und Straßentransporten durch Verformungen von Schienen und Aufweichen von Asphalt kommen. Schulschließungen oder Veranstaltungsverbote könnten – wie etwa in Australien – ebenso die Folge sein wie Preissteigerungen in bestimmten Marktsegmenten. Einzig im Bereich von Kommunikation und Internet konnten keine Auswirkungen konstatiert werden.

Österreich wird in der Studie nur am Rande explizit erwähnt – etwa mit Engpässen bei Grünfutter, der verminderten Beladung von Donaufrachtern bei Niedrigwasser oder dem vermehrten Befall von durch Trockenheit geschädigten Bäumen durch Borkenkäfer. Doch verschont wird niemand bleiben, sind sich die Autoren sicher: „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sich die Art und das Ausmaß, in dem sich extreme Hitze- und Dürreereignisse auf die betroffenen Sektoren und Güter auswirken, wahrscheinlich zunehmen werden, und zwar in raschem Tempo. Es ist daher unerlässlich, Sektoren, Vermögenswerte und potenzielle Zusammenhänge zu berücksichtigen, auch wenn sie bisher nicht im Mittelpunkt standen.“

Besseres Krisenmanagement

Niggli: „Die Studie zeigt, dass die Resilienz des ‚Systems‘ insgesamt angegangen und verbessert werden muss. Das heutige Krisenmanagement ist meist begrenzt auf die einzelnen betroffenen Stellen (z.B. Hitze, Wassermangel oder Strommangel), und es fehlen kombinierte Krisenstäbe verschiedener Bereiche die sich gegenseitig beeinflussen. Insbesondere fehlt in den meisten Fällen ein gemeinsames Lagebild, das alle Bereiche beinhaltet und aus welchem entsprechende Folgerungen abgeleitet werden können“, so die Studienautorin.

„Krisenmanagement sollte sich vermehrt mit den Interaktionen zwischen den einzelnen wirtschaftlichen Sektoren beschäftigen und analysieren, wo es kritische und verwundbare Punkte gibt, die gegebenenfalls schwerwiegende Konsequenzen auch auf andere Sektoren und Systeme haben. Wichtige Fragen sind, wo und wie die Schäden beispielsweise exponentiell steigen können und wie man den ‚Überlastfall‘ verhindern kann? Insgesamt muss das Krisenmanagement breiter und umfassender gedacht werden, weg von der Fragmentierung, Sektoralisierung und Silo-Haltung.“