Regentropfen auf einem Ast
AFP – CHRISTOF STACHE
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Umwelt

Neue Methode zerlegt „ewige Chemikalien“

Sie sind im Boden und dem Regen, schaden der Gesundheit und können von der Natur kaum abgebaut werden: die „ewigen Chemikalien“. Mit einer neuen und relativ energieeffizienten Methode haben es Forscherinnen und Forscher nun aber geschafft, einige der Stoffe nachhaltig zu zerstören.

Egal ob Lebensmittelverpackungen, Feuerlöscher, Outdoor-Bekleidung oder beschichtete Pfannen – die meisten davon enthalten per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS). Insgesamt gibt es rund 4.700 chemische Verbindungen, die zu dieser Gruppe gehören.

In der Industrie sind die Stoffe sehr beliebt, denn sie sind unter anderem hitzeresistent, wasser- und fettabweisend. Das sorgt dafür, dass die neue Jacke keinen Regen durchlässt und sich der Pizzakarton nicht mit Fett vollsaugt.

Widerstandsfähige Stoffe

Die nützlichen Eigenschaften, die PFAS für die Industrie so interessant machen, stammen vom starken Zusammenhalt ihrer einzelnen Bestandteile. Sie alle weisen mindestens eine Gruppe aus einem Kohlenstoffatom und zwei oder drei Fluoratomen auf. Der Bund zwischen Kohlenstoff- und Fluoratomen gehört zu den stärksten Verbindungen in der organischen Chemie.

Sobald das jeweilige Produkt, in dem PFAS enthalten sind, aber nicht mehr genutzt wird, werden die starken Verbindungen zum Problem – nicht umsonst sind die Substanzen auch als „ewige Chemikalien“ bekannt. PFAS lösen sich nicht in Wasser, Bakterien können sie nicht zersetzen, und sie können auch nicht einfach so verbrannt werden. Die Stoffe werden daher entweder gar nicht oder erst nach sehr langer Zeit in der Natur abgebaut.

Es regnet weltweit PFAS

Über Mülldeponien, industrielle Abwässer und Abgase erreichen PFAS-Rückstände so die Umwelt. Aus vergrabenen Deponien gelangen sie ins Erdreich, die meisten Kläranlagen können die Stoffe außerdem nicht aus dem Wasser filtern. Lange Zeit gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass die Substanzen irgendwann im Meer landen und dort so stark verdünnt werden, dass sie ungefährlich werden.

Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Viele PFAS landen zwar im Meer, können dann aber über die Aerosole der Gischt wieder in die Atmosphäre gelangen. Davon zeugt etwa eine vor Kurzem erschienene Studie eines Forschungsteams um Ian Cousins von der Universität Stockholm und Martin Scheringer von der ETH Zürich.

Die Forscherinnen und Forscher haben Regenwasser an Messstationen auf der ganzen Welt auf PFAS-Rückstände untersucht. Selbst in den entlegensten Weltregionen waren die Substanzen dabei nachweisbar – oft sogar in Konzentrationen, die die Schwellenwerte der US-Umweltbehörde um ein Vielfaches überschritten.

Blick durch eine mit Regentropfen bedecktes Fenster, dahinter Wolkenkratzer
AFP – TIMOTHY A. CLARY

Gesundheitsschädliche Folgen

Dass die Böden und das Wasser mit PFAS kontaminiert sind, bringt auch Probleme für die Tiere und Menschen mit sich. Vor allem über die Nahrung können sich die Substanzen im Körper ansammeln.

Einige PFAS gelten als krebserregend. Auch Leberschäden und Schilddrüsenerkrankungen wurden bereits mit den Substanzen in Verbindung gebracht. Jüngere Studien zeigen außerdem, dass PFAS wahrscheinlich die Wirkung von Impfungen bei Kindern verringern, ihren Cholesterinwert erhöhen und ihr Immunsystem schwächen. Weiters gibt es auch Hinweise darauf, dass eine starke PFAS-Belastung die Schwere von SARS-CoV-2-Infektionen verstärkt.

Suche nach energieeffizienten Methoden

Die widerstandsfähigen Chemikalien nachhaltig zu zerstören, ist daher schon lange das Ziel zahlreicher Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt. Ein paar Methoden gibt es bereits – sie sind aber mit viel Hitze und Druck, also einem sehr großen Energieaufwand verbunden. Außerdem werden die wenigen PFAS, die damit zerstört werden können, oft in andere, weniger widerstandsfähige, aber immer noch toxische Substanzen zerlegt.

Eine vielversprechendere Methode präsentieren nun Forscherinnen und Forscher um die Chemikerin Brittany Trang von der US-amerikanischen Northwestern University im Fachjournal „Science“. In der internationalen Studie zeigt das Team auf, dass einige der weltweit häufigsten PFAS auch mit niedrigeren Temperaturen und kostengünstigen Mitteln zerlegt werden können.

Wirksam bei am meisten verbreiteten PFAS

Konkret haben es die Forscherinnen und Forscher geschafft, zehn PFAS-Verbindungen in ungefährliche Substanzen zu zerlegen. Was vielleicht nicht wie ein großer Fortschritt im Kampf gegen die „ewigen Chemikalien“ aussieht, ist laut dem Studienmitautor und Chemiker William Dichtel ein klarer Erfolg. Ihm zufolge funktioniert die Methode bei der Gruppe der Perfluorcarbonsäuren (PFCAS) und Perfluoroctansäuren (PFOA), den am meisten verbreiteten Vertretern der „ewigen Chemikalien“.

Gelungen ist das dem Forschungsteam, indem es einen bestimmten Teil der chemischen Verbindungen anvisierte. Durch ein mäßiges Erwärmen und die Zugabe von kostengünstigen Lösungsmitteln wie Dimethylsulfoxid und Natronlauge schafften es die Forscherinnen und Forscher, den angezielten Teil der Verbindung zu trennen.

Chemische Kettenreaktion

Was folgte, war eine Kettenreaktion, bei der sich die restlichen Bestandteile der PFAS-Verbindungen von selbst lösten. Den vom Team angezielten Bereich der PFAS-Verbindungen bezeichnet Dichtel daher auch als ihre „Achillesferse“. Im Rahmen einer Pressekonferenz erklärt der Chemiker: „Die Fluoratome wurden abgestoßen und zu Fluorid, der sichersten Form des chemischen Elements.“ Die eigentlich toxischen Verbindungen wurden so in ungefährliche, auch in der Natur vorkommende Substanzen zerlegt – ohne großen Energieaufwand.

Modell bestätigt Ergebnis

Beim Untersuchen der Ergebnisse fiel den Forscherinnen und Forschern außerdem auf, dass der Zerfall der Verbindungen nicht so verlief, wie zuvor angenommen. Anstatt ein Kohlenstoffatom nach dem anderen zu lösen, waren es bei den behandelten PFAS immer mehrere gleichzeitig.

Diese Erkenntnis bewegte das Team dazu, zusätzliche Computermodelle zu erstellen und den Zerfall der Verbindungen detailliert nachzustellen. Auch laut diesen Berechnungen bleiben von den behandelten Chemikalien nur gutartige Substanzen zurück.

Die Suche nach weiteren Schwächen

Mit Hilfe des Computermodells sei es künftig möglich, weitere Methoden zu erforschen, die auch bei den übrigen PFAS wirken. Bisher könne man zwar nur zehn der „ewigen Chemikalien“ nachhaltig zerlegen, dass das aber überhaupt möglich ist, ist laut Dichtel ein sehr gutes Zeichen: „Andere PFAS-Klassen haben nicht dieselbe Achillesferse, aber jede einzelne hat ihre eigenen Schwächen. Wenn wir diese Schwächen identifizieren können, können wir sie auch aktivieren und die PFAS zerstören.“

Bis es so weit ist, dass alle „ewigen Chemikalien“ auch nachhaltig abgebaut werden können, bedürfe es noch einiger Forschungsarbeit und Zeit. Zusätzlich erschwert wird die Arbeit der Forscherinnen und Forscher dadurch, dass die Industrie an immer neuen und widerstandsfähigeren Substanzen arbeitet – ohne dabei an ihre spätere Entsorgung zu denken.