Eine Reihe von Cola-Dosen
AP – Matt Rourke
AP – Matt Rourke
Gesundheit

Auch Süßstoffe beeinflussen Blutzucker

Süßer Geschmack ohne lästige Kalorien – das gibt es nur mit Süßungsmitteln. Aktuelle Studienergebnisse zeigen aber, dass sich auch der Zuckerersatz auf den menschlichen Körper auswirkt und unter anderem die Fähigkeit beeinträchtigt, den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Grund zur Sorge ist das laut Experten aber keiner.

Eigentlich ist man bisher davon ausgegangen, dass kalorienfreie Süßungsmittel überhaupt keine Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel und generell den menschlichen Körper haben. Die Stoffe wurden, seit sie sich im späten 19. Jahrhundert verbreitet haben, gemeinhin als praktisch inaktiv angesehen, sobald sie in den Körper gelangen.

Diese Annahme stellen nun Forscherinnen und Forscher aus Israel in Frage. Schon im Jahr 2014 hat ein Team um den israelischen Immunologen Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science an Mäusen getestet, ob gängige Süßungsmittel tatsächlich keine Wirkung haben außer ihrem süßen Geschmack. Schon damals hat sich gezeigt, dass sich die Zusammensetzung der Mikroorganismen im Darm der Tiere nach der Einnahme bestimmter Süßungsmittel veränderte. Das hat in weiterer Folge auch beeinflusst, wie gut sie ihren Blutzuckerspiegel regulieren konnten.

Untersuchung an Menschen

Ob diese Effekte auch bei Menschen beobachtet werden können, haben die Forscherinnen und Forscher um Elinav nun in einer weiteren Studie analysiert, die sie aktuell im Fachjournal „Cell“ präsentieren.

Das Team wählte 120 Testpersonen aus, die zuvor lange überhaupt keinen Kontakt mit kalorienfreien Süßstoffen hatten. In Gruppen aufgeteilt erhielten die Probandinnen und Probanden danach zwei Wochen lang täglich mehrere Dosen gängiger Süßungsmittel, wie Aspartam, Saccharin, Stevia und Sucralose. Bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern lag die jeweilige Menge der verabreichten Süßungsmittel unter der empfohlenen Tageshöchstmenge.

Wirkung bleibt nicht aus

Das Ergebnis des Experiments war laut dem Ernährungswissenschaftler Jürgen König von der Universität Wien überraschend. Er war an der Studie nicht beteiligt, erklärt aber gegenüber science.ORF.at: „Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Wirkung der Süßungsmittel auf den Blutzuckerspiegel – die eigentlich ausbleiben sollte – überraschenderweise doch nicht ausgeblieben ist."

Vor allem die Süßungsmittel Saccharin und Sucralose haben die Glukosetoleranz der Probandinnen und Probanden beeinträchtigt. Der Messwert besagt, wie gut der Körper den eigenen Blutzuckerspiegel regulieren kann und wie schnell er Insulin produziert, damit die Glukose an ihren Zielort gebracht und dort in Energie umgewandelt wird. Eine beeinträchtige Glukosetoleranz kann etwa dazu führen, dass die Blutzuckerwerte über der Norm liegen. Dieser Zustand kann eine Übergangsphase zu Diabetes oder Prädiabetes sein.

Hintergründe noch unklar

Warum sich kalorienfreie Süßungsmittel auf den Blutzuckerspiegel und damit generell den Energiehaushalt auswirken, wissen auch die Forscherinnen und Forscher aus Israel noch nicht genau – immerhin liefern die Stoffe selbst keine oder nur sehr wenig Energie. Um die Gründe genauer zu klären, seien noch weitere Untersuchungen nötig.

Eventuell könnte die veränderte Glukosetoleranz aber mit Veränderungen in der Darmflora der Probandinnen und Probanden zusammenhängen. Auch diese hat das israelische Team im Rahmen der Untersuchungen festgestellt. Laut den Forscherinnen und Forschern weist das darauf hin, dass die Darmflora sehr sensibel auf alle möglichen Stoffe reagiert. Ob das in weiterer Folge aber auch der tatsächliche Grund für veränderte Blutzuckerspiegel ist, müsse erst noch genauer erforscht werden.

“Süßungsmittel sind sicher“

Grund zur Sorge seien die Ergebnisse der israelischen Studie nicht, meint König. Er erklärt: „Die Forscher sagen ja nicht, dass das ganz dramatische Folgen für den menschlichen Organismus hat. Es ist nur möglicherweise nicht ganz so, wie man sich das eigentlich gedacht hat.“ Im Vergleich zu herkömmlichem Zucker seien die in Europa zugelassenen kalorienfreien Süßungsmittel jedenfalls nicht gesundheitsschädlich. König: „Alle zugelassenen Süßungsmittel sind – was die wissenschaftliche Datenlage angeht – in den Mengen, in denen sie im Moment konsumiert werden, sicher."

Süßungsmittel mit Maß genießen

Der normale Konsum der Zuckerersatzstoffe sei demnach unbedenklich. Aber: Auch bei Süßungsmitteln sollte man nicht übertreiben. Der Ernährungswissenschaftler gibt zu bedenken: „Wenn man keine zusätzliche Energie möchte, bieten sich die Süßungsmittel natürlich an. Oft verleiten solche kalorienfreien Inhaltsstoffe die Menschen aber dazu, dass sie einfach die doppelte Menge eines Produkts konsumieren.“ Die durch die fehlenden Kalorien eingesparte Energie werde damit oft auf andere Weise aufgenommen.

Zu früh für Empfehlungen

Im Rahmen des israelischen Experiments hat sich außerdem gezeigt, dass die Probandinnen und Probanden zum Teil sehr unterschiedlich auf die Süßungsmittel reagierten. Nicht bei allen konnte das Team eine beeinträchtige Glukosetoleranz feststellen.

Laut König ist es daher noch zu früh, um aufbauend auf die israelischen Studienergebnisse konkrete Empfehlungen abzugeben, die für oder gegen den Einsatz bestimmter Süßungsmittel sprechen. Die genauen Effekte, die Süßungsmittel auf den menschlichen Körper haben, würden sich erst in künftigen Langzeitstudien zeigen.

Relevanz habe das Thema dann aber jedenfalls in der Medizin. Vor allem Diabetikerinnen und Diabetikern könnte ein besseres Verständnis über die Vorgänge, die Süßungsmittel im Körper auslösen, helfen.