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JAKLZDENEK – stock.adobe.com
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Erbgutanalyse

24 Tiere lösten Australiens Kaninchenplage aus

Seit über 160 Jahren leidet Australien immer wieder an Kaninchenplagen. Wie eine neue Erbgutanalyse zeigt, wurde sie von nur 24 Tieren ausgelöst, die im Jahr 1859 auf einem Schiff nach Melbourne kamen – und sich noch an Bord vermehrt hatten.

Die Kaninchenplage ist historisch und wissenschaftlich ein umstrittenes Thema. Die ersten Hasen- und Kaninchenarten wurden in Australien bereits 1788 dokumentiert. Die Tiere waren damals nicht heimisch, sondern kamen mit der „First Fleet“ – den ersten Sträflingen aus Großbritannien – auf den Kontinent.

Mindestens 90 weitere Importe sind aus den frühen Jahren der Kolonialisierung bekannt, weshalb manche Fachleute meinten, dass die Plage schrittweise ausgelöst wurde. Zu einer invasiven Ausbreitung der Tiere kam es aber erst über 70 Jahre später. Ein Team rund um den britischen Evolutionsbiologen Joel Alves ging nun der Frage nach, warum sich die Kaninchen erst dann so rasant verbreiten konnten.

Ursprung im britischen Somerset

Die Fachleute verglichen für ihre soeben im Fachmagazin „PNAS“ erschienene Studie die Gene von knapp 190 heutigen und historischen Wildkaninchen und konnten so ihre Ausbreitung rekonstruieren. Begonnen hat sie mit einer kleinen Population, die der britische Pastor Thomas Austin im Jahr 1859 zur Jagd einführen ließ.

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British Library
Thomas Austin

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass trotz mehrfachen Einfuhren in ganz Australien nur ein einziger Schwung europäischer Hasen die biologische Invasion auslöste“, erklärte Hauptautor Joel Alves in einer Aussendung. Dass sich diese Kaninchen so gut verbreiten konnten, liege an einem genetischen Vorteil, den die neuen Tiere mitbrachten. Sie seien besser an die Umweltbedingungen angepasst gewesen als zuvor importierte Kaninchen, die vermutlich allesamt domestiziert waren.

Eine mögliche Ursache für diesen genetischen Vorsprung könnte die Reise der britischen Wildkaninchen vom englischen Somerset nach Australien sein. William Austin hatte nur 13 Tiere an seinen Bruder abgeschickt – sechs wildlebende und sieben domestizierte – am Weihnachtsabend 1859 kamen aber 24 in Melbourne an. Die Tiere hatten sich offenbar während der 80 Tage langen Überfahrt gepaart und wurden danach auf dem Anwesen von Thomas Austin nahe der Hafenstadt Geelong ausgesetzt.

Ausbreitung der Kaninchen nach Australien
Joel Alves
Ursprünglich stammen die Kaninchen von der iberischen Halbinsel in Europa, über Großbritannien kamen sie u. a. nach Australien

Kontinent in 50 Jahren überrannt

Nur drei Jahre danach war die Population auf mehrere tausend Individuen angewachsen, Austin selbst gab an, im Jahr 1865 20.000 seiner Kaninchen getötet zu haben. In den weiteren Jahren breiteten sich die Tiere mit einer Rate von 100 Kilometern pro Jahr über den gesamten Kontinent aus. Da der Handel mit Kaninchen im 18. Jahrhundert sehr beliebt war, konnten sie sich auch auf Tasmanien und Neuseeland verbreiten.

Im Jahr 1920 lag die geschätzte Population der Wildkaninchen bei über zehn Milliarden Tieren. In den Jahrzehnten danach wurde immer wieder erfolglos nach Methoden gesucht, um die Zahl der Tiere zu verringern. Erfolgreich war in den 1950er Jahren dann die Einführung eines Virus, das Myxomatose auslöst – die Kaninchenpest. Mit ihrer Hilfe konnte die Zahl der Kaninchen zunächst erheblich gesenkt werden. Über die Jahre hinweg entwickelten sie jedoch eine Resistenz gegen das Virus, seit rund 20 Jahren wird deshalb eine gentechnisch veränderte Variante des Krankheitserregers eingesetzt.

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National Archives of Australia, A1200, L44186
Die ersten Experimente mit dem Myxomavirus wurden 1938 auf Wardang Island durchgeführt

Folgen für die Umwelt

Das Team um Hauptautor Joel Alves betont in ihrer Studie, wie massiv die Auswirkungen von Handlungen einzelner Menschen auf unsere Ökosysteme sein können. Mit der Einfuhr der Tiere durch Thomas Austin werden bis heute weite Landstriche verwüstet, die Fraßschäden kosten den Agrarsektor jährlich bis zu 200 Millionen Dollar.

Die Bedrohung für Ökosysteme sei aber noch größer als die wirtschaftliche. Biologische Invasionen wie die australische Kaninchenplage können die Biodiversität eines ganzen Gebietes zerstören, da heimische Arten verdrängt werden. „Solche Invasionen sind eine große Bedrohung, auch für die globale Biodiversität“, verdeutlichte Alves. Um auf solche Fälle vorbereiten zu können, muss deshalb die Wissenschaft dabei helfen zu verstehen, wie Plagen ausgelöst werden.