Klima-Gütesiegel auf einer Bananenstaude
HollyHarry – stock.adobe.com
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Konsum

„Klimaneutral“ oft nur leeres Versprechen

Immer mehr Unternehmen bewerben ihre Produkte damit, „klimaneutral“ zu sein. Was hinter diesem Prädikat steht, ist jedoch unklar, es gibt keine einheitlichen Standards. Nicht selten handle es sich um leere Versprechungen, die Kaufentscheidungen beeinflussen sollen, kritisiert die Umweltforschung.

Klopapier, Hühnerfleisch, Kaffeekapseln – im Supermarkt häufen sich die Produkte, die damit werben, „klimaneutral“ zu sein. Zahlreiche Verbraucherstudien zeigen, dass das nicht ohne Grund passiert: Die Unternehmensberatung Capgemini kam nach Befragung von 7.500 Menschen zu dem Schluss, dass mehr als 65 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten Produkte aufgrund ihrer Umweltfreundlichkeit kaufen. Das Label „klimaneutral“ suggeriert genau das.

Keine Standards, keine Normen

Hinter dem Begriff steht allerdings kein einheitliches Gütesiegel, keine Norm, keine europaweiten Standards. Es gebe keine genaue Definition, wann ein Produkt nun tatsächlich klimaneutral sei, sagt Matthias Finkbeiner, Leiter des Instituts für Technischen Umweltschutz an der Technischen Universität Berlin. „Ein Produkt mit Null Klimawirkung kann es nicht geben“, so Finkbeiner. Man könne also nur versuchen, die Treibhausgasemissionen und den Energieverbauch bestmöglich zu reduzieren und die verbleibende Klimawirkung zu kompensieren, so der Umweltforscher.

„Aber das Label ‚klimaneutral‘ sagt nichts darüber aus, ob tatsächlich Emissionen reduziert wurden und wie viel kompensiert werden musste“, so Finkbeiner weiter. Kompensieren bedeutet, über den Kauf von CO2-Zertifikaten oder die finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten die eigenen Emissionen auszugleichen. Dazu gehören Investitionen in Windkraftanlagen, in Aufforstung oder in Kochstellen für dörfliche Gemeinden im südlichen Afrika, die mit Solarenergie betrieben werden.

Kompensationsprojekte nicht immer sinnvoll

„Viele dieser Kompensationsprojekte sparen gegenüber einem Wachstumsszenario“, erklärt Finkenbeiner. Ein neues Windrad spare beispielsweise Emissionen, weil dort in Zukunft kein Kohlekraftwerk gebaut werden müsse. „Das ist prinzipiell sinnvoll, es entstehen aber Emissionen, weil das neue Windrad zusätzlich gebaut wird, und es wird dabei kein CO2 aus der Atmosphäre geholt“, sagt der Umweltforscher.

Vorgabe für solche Kompensationszertifikate sollte aus wissenschaftlicher Sicht sein, tatsächlich CO2 aus der Atmosphäre zu holen. Das bekanntestes Beispiel ist Aufforstung. Aber auch hier muss darauf geachtet werden, dass die Wälder tatsächlich wachsen und das Holz nicht als Brennmaterial oder Baustoff genutzt wird. „Das sind immerhin Projekte, die effektiv CO2 aus der Atmosphäre rausholen, aber wir brauchen zukünftig viel mehr Ideen, um den entsprechenden Kompensationsbedarf bereitstellen zu können“, so Finkenbeiner. Es brauche also neue technische Lösungen, die das Abscheiden und Speichern von Kohlendioxid ermöglichen.

Beim Kauf ist Recherche notwendig

Damit einhergehend brauche es einheitliche Vorgaben für ein „klimaneutrales“ Gütesiegel. Derzeit werde an einer entsprechenden ISO-Norm gearbeitet. Die Vorgaben müssten zumindest europaweit einheitlich sein, sagt Finkbeiner. Jede Produktgruppe brauche eigene Standards, und die „Klimaneutralität“ müsse von den Rohstoffen, über die Produktion bis zum Gebrauch, ermittelt werden. Noch sei das nicht der Fall.

Für die Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das: Wer klimaneutral kaufen möchte, muss recherchieren, was hinter der Behauptung steckt, also ob ein Unternehmen tatsächlich versucht, Emissionen zu reduzieren oder nicht – und was die Betriebe tun, um Restemissionen zu kompensieren. Und ganz generell empfiehlt der Umweltforscher, im Supermarkt nur jene Dinge zu kaufen, die man wirklich braucht und möglichst wenig Abfall produzieren. Auch das schone die Umwelt.