Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
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Alpbacher Technologiegespräche

Neue Einsatzgebiete für mRNA-Technologie

Mit dem Erfolg der Covid-19-Impfungen geht auch die Hoffnung einher, dass die mRNA-Technologie bald für andere Impfungen genutzt werden kann. Bei der jährlichen Influenza-Impfung würde sich die Plattform anbieten, ebenso bei chronischen Erkrankungen wie Hepatitis B.

Zehn Jahre dauert im Schnitt die Entwicklung eines Impfstoffes. Die Coronavirus-Impfstoffe waren jedoch innerhalb von zehn Monaten verfügbar. Eine Entwicklungsdauer, die oft als „Lichtgeschwindigkeit“ bezeichnet wird.

Entwicklung konnte auf Forschung aufbauen

Der Erfolg der mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 sei auch der jahrzehntelangen Vorlaufforschung zu verdanken, sagt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Institut. Man habe, was das schützende Antigen betrifft, bereits an MERS-Coronaviren und dem ursprünglichen SARS-Coronavirus geforscht und auch am Tiermodell herausgefunden, dass die Spikeproteine sehr gut geeignet seien, um Schutz vor Infektionen zu bieten. Zudem konnte man auf jahrzehntelange Erfahrung mit mRNA als Tumor-Immuntherapeutikum zurückgreifen.

Neue Impfstoffe auf mRNA Basis

Man kann die mRNA-Impfstoff-Technologie schnell an neue Virus-Varianten anpassen. Darin liege ihr großer Vorteil, betont Klaus Cichutek. Anbieten würde sich die Technologie daher für den saisonalen Influenza-Impfstoff, bei dem derzeit Vorlaufzeiten von mehreren Monaten notwendig sind. „Da hätten natürlich Impfstoffe mit kurzen Umstellungs- und Produktionszeiten gravierende Vorteile.“

Darüber hinaus seien auch HIV-, Tuberkulose- und Malaria-Impfstoffe auf mRNA-Basis denkbar. „Allerdings darf man nicht Wunder von den Impfstoffen erwarten“, sagt der Biochemiker. Gerade was das HI-Virus betrifft würden große Hürden bestehen, die den besonderen Charakteristika des Virus geschuldet sind. HIV überlebt sehr lange im Körper, weshalb auch latent infizierte Zellen identifiziert und ausgeräumt werden müssen. Zudem mutiert es, weshalb ein gutes Antigendesign notwendig sei. Ob eine neue Impfstoff-Technologie hier den Durchbruch bringe, ist derzeit laut Cichutek unklar.

MRNA in der Krebstherapie

Auch bei der Krebstherapie könnte eine mRNA-Impfung eine neue, komplementäre Therapieform darstellen, sagt Klaus Cichutek. Das Immunsystem muss wieder lernen, Tumorzellen zu erkennen und zu bekämpfen. Mittels mRNA-Impfung kann man dem Körper den „Bauplan“ jenes Proteins übermitteln, das für den Tumor spezifisch ist. „Tumorspezifische Antigene sind gut definiert und es ist bisher schon in klinischen Prüfungen gezeigt worden, dass eine Immunreaktion gegen speziell Krebszellen durch die Impfung erreicht werden kann.“

Der unmittelbare Nutzen für die Patientinnen und Patienten müsse aber noch nachgewiesen werden. „Wir hoffen alle, dass der Durchbruch erfolgen wird“, sagt der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts. „Ich bin da hoffnungsvoll, aber er ist heute noch nicht da.“

Einsatz bei chronischen Viruserkrankungen

Auch bei der Behandlung von Hepatitis B, einer chronischen Virusinfektion, könnten RNA-Technologien Fortschritte bringen. „Wer das Virus in sich trägt, hat ein hohes Risiko, Krebs zu entwickeln und an Leberversagen zu erkranken“, sagt Ulrike Protzer, Direktorin des Instituts für Virologie am Helmholtz Zentrum München. „Jedes Jahr sterben 880.000 Menschen an den Folgen ihrer Hepatitis-B-Infektion.“

Die Alpbacher Technologiegespräche werden vom Austrian Institute of Technology und Österreich 1 veranstaltet.

Ähnlich wie bei Krebs-, sei auch bei Hepatitis-B- Erkrankungen eine therapeutische Impfung denkbar, ebenso der Einsatz von mRNA in der T-Zellen-Therapie. T-Zellen sind Immunzellen, die der Körper selbst produzieren kann. Durch eine Impfung wird die Vermehrung dieser Zellen und ihre Funktion verstärkt.

„Und eine dritte Anwendung, die eigentlich keine mRNA-Anwendung ist, aber eine RNA-Anwendung, ist die Verwendung von kurzen RNAs für das, was wir RNA-Interferenz nennen“, berichtet die Virologin. Während mRNA bei der Proteinproduktion eine große Rolle spielt, blockieren diese kurzen RNAs die Produktion. Ein Mechanismus, der auch gut gegen Viren eingesetzt werden kann. „Wenn man die Proteinproduktion des Virus blockieren kann, blockiert man das ganze Virus“, sagt Protzer.

Bestandteil personalisierte Medizin

RNA-basierte Medizin sei ein wichtiger Schritt hin zu einer stärker personalisierten Medizin, ist man sich bei den Technologiegesprächen beim Forum Alpbach einig. Ihre Entwicklung startete vor nahezu 30 Jahren, wo sie endet ist aus heutiger Sicht noch nicht absehbar.