Mann vor vollem Kühlschrank mit Pizza in der Hand, Heißhunger
Superingo/stock.adobe.com
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Binge-Eating

Hirnstimulation gegen Fressanfälle

Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leiden unter einer Binge-Eating-Störung – diese Essstörung äußert sich durch unkontrollierbare Essanfälle. US-amerikanischen Fachleuten gelang es nun bei zwei Patientinnen, die Impulskontrolle mittels Gehirnstimulation wiederherzustellen.

Getrieben von unstillbarem Verlangen stopfen Betroffene in kürzester Zeit alles in sich rein, was der Kühlschrank hergibt. Bei einem solchen Fressanfall verlieren sie völlig die Kontrolle darüber, wie viel sie zu sich nehmen. Bevorzugt werden noch dazu hochkalorische und fettige Lebensmittel gegessen. Im Gegensatz zur Bulimie übergeben sich Menschen mit einer Binge-Eating-Störung jedoch anschließend nicht. Das kann langfristig zu Übergewicht und sogar Fettleibigkeit (Adipositas) führen.

Der Neurochirurg Casey Halpern von der Universität Pennsylvania und sein Team beschreiben aktuell im Fachjournal „Nature Medicine“ eine Pilotstudie, in der sie eine vielversprechende Behandlungsmetode für die Erkrankung testeten. Zwei Patientinnen konnten damit ihre Impulskontrolle zurückerlangen.

Bei Parkinson erprobt

Im Rahmen der Untersuchung ermittelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zuerst, wie sich die Gehirnaktivitäten bei normalem Essverhalten, Heißhunger und unkontrollierbaren Essattacken unterscheiden. In weiterer Folge unterzogen sich die Patientinnen einem Chirurgischen Eingriff, der die Stimulation bestimmter Gehirnareale mit Hilfe eines Implantats ermöglicht.

Zum Einsatz kam ein Verfahren, dass als Tiefe Hirnstimulation bekannt ist und bereits bei der Behandlung von Parkinson angewendet wird. In der EU findet das Verfahren zusätzlich Anwendung bei der Therapie von Zwangsstörungen und Epilepsie. Zwei Elektroden werden dabei in den entsprechenden Regionen des Gehirns platziert, um diese zu stimulieren. Bei der Binge-Eating-Störung sollen dadurch die unkontrollierbaren Impulse und das unbändige Verlangen nach Essen reduziert werden.

Getestet wurde das Verfahren bei zwei extrem übergewichtigen Frauen im Alter von 45 und 56 Jahren. Nach sechs Monaten war die Anzahl der Fressanfälle bei beiden deutlich zurückgegangen und beide hatten bereits Gewicht verloren. Bei einer Patientin konnten die Forscherinnen und Forscher keine Anzeichen für Binge-Eating mehr feststellen. Die Hirnstimulation habe auch zu keinen unerwünschten Nebenwirkungen geführt.

Lebensqualität verbessern

Laut den Studienautorinnen und -autoren kann eine solche Behandlung auch die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig steigern, denn viele, die an der Essstörung erkranken, sind in ihrem sozialen Leben stark eingeschränkt. Aus Scham essen sie oft allein und verheimlichen die Krankheit vor Freunden und Bekannten.

Nun soll die Methode in einer Untersuchung mit mehr Probandinnen und Probanden getestet werden. Für die Fachleute gilt sie jetzt schon als vielversprechend. Laut Hauptautor Halpern werden Essstörungen oft nicht ganzheitlich behandelt, weshalb auch
invasive Eingriffe wie Magenbänder kaum zum Erfolg führen. Mit dem Einsatz sogenannter Hirnschrittmacher seien nun effektivere Behandlungsmethoden in Aussicht.