Gletscher und Atmosphärenforschung in Grönland
Patrick Wally/Praherfilm
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Klimaerwärmung

Polarforscher wanderten auf alten Spuren

Grönland hat mit seinem Eispanzer einen großen Einfluss auf Wetter und Klima. Vor etwa 100 Jahren erforschte der Polarforscher Alfred Wegener von der Universität Graz diesen Einfluss. Ein Team aus Österreich hat diese Forschungen an den genau gleichen Stellen soeben wiederholt – und deutliche Temperaturanstiege gemessen.

Alfred Wegeners dritte Grönland-Expedition wurde ihm 1930 zum Verhängnis. Der Lehrende der Universität Graz starb im Eis – vermutlich an Überanstrengung. Sein Team errichtete mehrere Messstationen im Norden der größten Insel der Welt und musste weite Strecken zurücklegen. Ausgangspunkt war ein Gletscher im Westen, in der Nähe des Ortes Ummannaq. Genau an diesem Ort schlug auch das Forschungsteam 2022 ihr Camp auf.

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Historisches Bild des Expeditions-Gletschers aus der Zeit Wegeners.
Wegener Archiv
Blick auf das Camp der Wegener-Expedition 1929-1931.
Der beforschte Gletscher heute.
Uni Graz/Jakob Abermann
Die gleiche Stelle heute.

Suche nach den selben Messpunkten

Jakob Abermann, Leiter der Expedition in den Nordwesten Grönlands, grub vor einigen Jahren die Wegener-Messungen aus. Anhand von Bildern von damals konnte das Team exakt die gleichen Messpunkte auf dem Gletscher wiederfinden. „Die Suche nach den Plätzen war sehr aufwendig. Wir haben die Bilder mit der heutigen Umgebung verglichen und die Messstellen gefunden – für die Forschung ungemein wichtig, weil schon wenige Zentimeter Abweichung andere Werte liefern. Lokale Phänomene würden dann als Klimaänderungen missinterpretiert werden“, schildert Abermann den Beginn der Expedition im Juni dieses Jahres.

Feldforschung auf dem Gletscher.
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Schon geringe Abweichungen bei den Messpunkten machen einen Vergleich mit den alten Daten unmöglich.

Zusammenspiel des Meeres und Wetters

Zu Zeiten Wegeners herrschten besondere Bedingungen in Grönland – hohe Temperaturen und besondere Eiszustände im Fjord vor dem Gletscher. „Glücklicherweise haben wir heuer ähnliche Bedingungen vorgefunden. Das ist wichtig für unsere Messungen. Das Eis im Fjord hat zum Beispiel große Auswirkungen auf die Lufttemperaturen in Küstennähe“, freut sich Gletscherforscher Abermann.

Die Expedition hat Messpunkte auf und rund um den Gletscher installiert. Sie sammeln Daten zur Temperatur des Eises, der Luft und anderen Parametern und schicken sie teilweise in Echtzeit an das Forschungsteam. Das Team vergleicht über die nächsten drei Jahre die Messreisen mit jenen aus der Zeit Wegeners.

Erste Ergebnisse: Steigende Temperaturen

Das Expeditionsteam ist bereits zurück von ihrer dreiwöchigen Feldarbeit. Erste Auswertungen bestätigten Vermutungen, wonach die Temperatur im Gletscher steigt. Punktuell wurde sogar eine Steigerung von einem bis eineinhalb Grad im Eis gemessen. „Diese ersten Zahlen sind aber noch mit Vorsicht zu betrachten. Erst unsere langfristigen Beobachtungen können genaue Daten zur Eiserwärmung liefern“, ordnet Abermann die ersten Ergebnisse ein.

Mit einer Erwärmung habe man aber gerechnet im Vergleich zur Zeit Wegeners, so der Polarforscher. Das bedeutet noch nicht, dass der Gletscher gleich wegschmilzt – die Temperaturen liegen noch mehrere Grad unter Null – es bedeutet, dass sich das Eis anders verhält.

„Gletschereis verhält sich ähnlich wie Honig. Im Kühlschrank ist er sehr zähflüssig, bei Raumtemperatur wird er sehr flüssig.“ Mit den Daten aus Grönland wollen die Forscherinnen und Forscher nun ein Modell entwickeln, das die Veränderung des Eises im Spiegel der Klimaerwärmung beschreibt. Das Forschungsprojekt der Universität Graz und des Know-Center Graz ist auf drei Jahre ausgelegt.

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Forscherteam am Fuße des Gletschers.
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Der Gletscher an der Westkünste Grönlands.
Die Forscherinnen und Forscher sind zu Fuß auf dem Gletscher unterwegs.
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Gletscherbesteigung mit Ausrüstung.
Eisenstangen und eine Gasflasche – die Überbleibsel der Wegener-Expedition.
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Immer wieder fand das Team Relikte der Wegener-Expedition von 1929 bis 1931.
Expeditionsteam bei der Feldarbeit. Im Vordergrund eine alte Gasflasche aus der Zeit Wegeners.
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Die Messstationen wurden exakt an den alten Standorten errichtet.
Das kleine Zelt-Dorf der Grönland-Expedition.
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Damals wie heute wurde in Zelten übernachtet.
Eisbohrungen im Zuge der Expedition.
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Die Temperaturen im Eis schwanken – schon wenige Zentimeter weiter kann der Wert anders sein.
Die einsamen Weiten Grönlands: Zwei Personen gehen über das Gletschereis.
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Die unendlichen Weiten Grönlands sind immer wieder beeindruckend.
Die Expedition wird von einem Filmteam begleitet. Ein Kameramann hält die Gletscherbesteigung fest.
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Ein kleines Filmteam hat die Expedition begleitet und arbeitet an einer Dokumentation namens „Die Eisgrenze“.

Überreste der Vergangenheit

Die Expedition Alfred Wegeners dauerte von 1929 bis 1931 – noch heute sind davon Überreste in Küstennähe und im Eis zu sehen. Alte Gasflaschen für die Wetterballone, Zeltstangen und sogar Verpackungen für Proviant fand das Expeditionsteam. Sie erinnern nicht nur an die wissenschaftliche Leistung der Wegener-Expedition, sondern auch an den Tod des Universitätsprofessors 1930 auf dem Grönlandeis.

Ein kleines Filmteam unter der Leitung von Stefan Fauland hat die aktuelle Expedition nach Grönland begleitet – die Dokumentation „Die Eisgrenze“ soll sich mit den Unterschieden in der Feldarbeit damals und heute beschäftigen und einen Einblick in die Welt der Polarforschung gewähren.