Ein Mann sitzt vor einem Computerschirm mit blauem Licht
AFP – OLI SCARFF
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Gesundheit

Blaues Licht macht schneller alt

Das von Monitoren und Handys ausgestrahlte blaue Licht stört nicht nur den Schlaf und schädigt die Augen, es kann sich auch auf viele andere Zellen im Körper auswirken. Laut einer aktuellen Studie verändert es etwa die Gehirnchemie von Fruchtfliegen und lässt sie so schneller altern – das könnte teilweise auch auf Menschen zutreffen.

Vor künstlichem, blauen Licht gibt es im Alltag kaum ein Entkommen. Lichtdioden (LEDs), von denen einige große Mengen des kurzwelligen Lichts produzieren, sind mittlerweile in fast allen Handy-, Computer und Fernsehbildschirmen verbaut, aber auch in Lampen und Reklamen. „Personen aus relativ fortgeschrittenen Gesellschaften sind den Großteil ihrer wachen Zeit blauem Licht ausgesetzt“, erklärt die Biologin Jadwiga Giebultowicz von der US-amerikanischen Oregon State University.

Fliegen altern schneller

Giebultowicz beschäftigt sich schon seit Langem mit den Auswirkungen, die blaues Licht auf die menschlichen Zellen hat. „Es gibt Beweise, dass durch zu viel blaues Licht zum Beispiel die Haut leidet oder Zellen in der Netzhaut absterben. Außerdem haben wir in einer früheren Studie aufgezeigt, dass es den Alterungsprozess von Fruchtfliegen beschleunigt“, sagt die Biologin gegenüber science.ORF.at.

Modellorganismus

Die Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) ist für Forscherinnen und Forscher generell von großem Interesse, da sie viele zelluläre Mechanismen mit anderen Tieren und auch Menschen teilt. Die Fliegen sind Teil zahlreicher Untersuchungen, da die Forschungsergebnisse zum Teil auch auf Menschen übertragbar sind.

Nachdem die Fliegen in der damaligen Untersuchung blauem Licht ausgesetzt waren, war ihre Lebenserwartung deutlich verkürzt. Die Forscherinnen und Forscher fanden außerdem Hinweise auf den Funktionsverlust zahlreicher Gehirnzellen. All das seien klare Anzeichen für einen beschleunigten Alterungsprozess, so Giebultowicz.

14 Tage konstante Beleuchtung

Welche Mechanismen aber genau hinter den negativen Auswirkungen stecken, untersuchte die Biologin nun in einer weiteren Studie, die im Fachjournal „Frontiers in Aging“ erschienen ist. Dafür nutzte sie mit ihrem Team erneut Fruchtfliegen. Sie wollten untersuchen, wie sich blaues Licht auf Zellen auswirkt, die eigentlich nichts mit der Aufnahme von Licht oder der Sehfunktion der Tiere zu tun haben. Für das Experiment wurden daher mutierte Fliegen herangezogen, die keine Augen hatten.

Die Tiere waren für einen Zeitraum von bis zu 14 Tagen konstant dem blauen Licht ausgesetzt. Eine Kontrollgruppe der Fliegen befand sich genauso lange in absoluter Dunkelheit. Im Anschluss untersuchte das Team ihre Gehirne.

Einfluss auf Signalwege und Funktionen

Dabei fanden die Forscherinnen und Forscher heraus, dass die Fliegen im Vergleich zur Kontrollgruppe nicht nur kürzer lebten, sie wiesen auch andere Konzentrationen einiger körpereigener Stoffe, sogenannter Metaboliten, auf. Das blaue Licht wirke sich demnach auf die Zellfunktionen und Signalwege aus, die für die Produktion und die Verarbeitung bestimmter Stoffe verantwortlich sind.

Konkret hatten die Fliegen, die dem künstlichen Licht ausgesetzt waren, viel mehr Succinat im Körper. „Dabei handelt es sich um einen Signalstoff, der sich auf das Zellwachstum und allgemein auf die Energieproduktion auswirkt“, so Giebultowicz.

Das Succinat sammelt sich in den Fliegen an, wird dann aber nicht wie sonst verwertet. „Das ist, wie wenn ein Auto einen vollen Tank hat, aber nicht viel Treibstoff zum Motor gelangt", vergleicht die Biologin. Wichtige Stoffe, die für die reibungslose Kommunikation zwischen den Gehirnzellen verantwortlich sind, wie etwa Glutamat, kamen in den Fliegengehirnen hingegen in deutlich geringeren Mengen vor.

Blaues Licht vermeiden

Warum das blaue Licht derartige Veränderungen in den Zellen der Fliegen hervorruft, ist den Forscherinnen und Forschern noch nicht genau bekannt. Das Forschungsergebnis deutet laut Giebultowicz aber jedenfalls darauf hin, dass die Zellen der Tiere durch das Licht nur eingeschränkt funktionieren. Das sei in weiterer Folge wahrscheinlich auch der Grund für die kürzere Lebenserwartung und den beschleunigten Alterungsprozess.

Ob dasselbe auch auf Menschen zutrifft, müsse in weiteren Untersuchungen erst noch geklärt werden. Aufgrund der Ähnlichkeiten zwischen Fruchtfliegen und Menschen sei es aber nicht auszuschließen, spekuliert Giebultowicz. „Menschen und Fliegen unterscheiden sich natürlich in gewissen Bereichen ziemlich stark – es könnte also sein, dass die Auswirkungen des blauen Lichts weniger das Gehirn von Menschen belasten, aber dafür mehr Schaden an anderen, dem Licht ausgesetzten Stellen verursachen – zum Beispiel der Haut", so die Biologin.

Daher sei es wichtig, künstliches Licht so gut es geht zu meiden. „Es hilft schon, die tägliche Zeit vor Bildschirmen zu reduzieren. Auch Blaulichtfilter, die auf den Bildschirmen angebracht werden können oder spezielle gelblich eingefärbte Brillen helfen."

Weitere Forschung nötig

Dass blaues Licht wie bei den Fliegen zum Funktionsverlust von Zellen führt, gehe außerdem nicht von heute auf morgen. „Bei den Fliegen haben wir ziemlich stark konzentriertes Licht verwendet – Menschen sind im Alltag nur schwächerem künstlichen Licht ausgesetzt", so die Biologin. Außerdem sei niemand 14 Tage lang konstant mit dem blauen Licht konfrontiert. Sofern die Studienergebnisse überhaupt auf Menschen übertragbar sind, wäre der über kurze Zeiträume verursachte Zellschaden daher wahrscheinlich weniger dramatisch.