Mischwald im Nationalpark Kalkalpen
ÖBf-Archiv/W. Simlinger
ÖBf-Archiv/W. Simlinger
Klimarisikokarte

Wo Wälder weltweit besonders gefährdet sind

Die Klimaerwärmung setzt Bäume weltweit unter Druck. Eine neue interaktive Karte zum Klimarisiko zeigt etwa, dass Wald unter anderem in Mitteleuropa, im Westen Nordamerikas oder im östlichen Amazonas stark gefährdet ist. Dort könnten bald viele Baumarten verschwinden, was den Wäldern auch ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher nimmt.

Wälder werden oft als wichtiges Element bei der Bekämpfung der Klimakrise gesehen, da sie große Mengen an Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen und langfristig speichern können. „Aktuell ist im globalen Waldbestand ungefähr genauso viel Kohlenstoff gespeichert, wie in der Atmosphäre. Der Wald nimmt jedes Jahr circa zehn bis zwanzig Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen gleich wieder auf“, erklärt der Ökologe Rupert Seidl von der Technischen Universität München (TUM).

Klimaerwärmung schadet Wäldern

Die Wälder sind aber auch selbst stark vom Klimawandel betroffen. Die steigenden Temperaturen können etwa die vorkommenden Baumarten verändern und zum Beispiel durch Dürren schlussendlich auch zum großflächigen Absterben der Bäume führen. „In Mitteleuropa konnten wir beobachten, dass sich die Baummortalität in den letzten 35 Jahren mehr als verdoppelt hat“, erklärt Seidl gegenüber science.ORF.at.

Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten sich die Schäden, die die Erderwärmung in mitteleuropäischen Wäldern verursacht, sogar verfünffachen – abhängig davon, wie stark die Klimaerwärmung in den kommenden Jahren eingedämmt werden kann.

Globale Erkenntnisse kombiniert

In bisherigen Untersuchungen wurden Klimafolgen für Wälder meist einzeln und separat betrachtet. Seidl hat nun aber zusammen mit einem internationalen Team um den US-amerikanischen Ökologen William Anderegg zum ersten Mal verschiedenste Klimafolgen zu einer globalen Klimarisikokarte für den Wälder zusammengefasst. Die dafür nötigen Daten stammten von sieben Institutionen aus Europa und den USA, die in früheren Studien Klimarisiken für den Wald untersucht haben. Die Forscherinnen und Forscher präsentieren die interaktive Karte derzeit in einer Studie im Fachjournal „Science“.

Kohlenstoffspeicher, Waldsterben und Artenverlust

In der Karte haben Seidl und die internationalen Forscherinnen und Forscher insgesamt drei Dimensionen des Klimarisikos für Wälder berücksichtigt: Sie haben unter anderem das Risiko analysiert, dass Wälder künftig nicht mehr als Kohlenstoffspeicher fungieren können. Dafür untersuchte das Team, wie hoch die Wahrscheinlichkeit eines Kohlenstoffverlustes zum Ende des Jahrhunderts relativ zu heutigen Werten ist.

Als zweite Dimension wurde der Verlust von Baumarten in der Karte berücksichtigt. Dieser wurde auf Basis von globalen Artenverteilungsmodellen abgeschätzt, in denen die Verbreitung von Arten unter verschiedenen Klimabedingungen errechnet wurde.

Waldbrand in Lick Creek, Umatilla National Forest, Oregon, United States.

CREDIT
Brendan O’Reilly/U.S. Forest Service
Waldbrände und Dürren setzen Wäldern zu

Als dritte Dimension betrachteten die Forscherinnen und Forscher die Wahrscheinlichkeit für das Absterben von Wäldern genauer. Dazu zogen sie Auswertungen globaler Satellitendaten der letzten Jahre heran und ließen auch Daten zu Dürren, Waldbränden und anderen klimabezogenen Einflüssen in die Untersuchung einfließen.

Hohes Klimarisiko in Mitteleuropa

Konkret fanden die Forscherinnen und Forscher Hinweise darauf, dass der Wald in Mittel- und Westeuropa hohem Klimarisiko ausgesetzt ist. Dort ist die Wahrscheinlichkeit für das Absterben einiger Wälder hoch, aktuell prägende Baumarten könnten verschwinden und die Kohlenstoffspeicherung würde sich dadurch deutlich verringern.

„Dieses Ergebnis bestätigt auch die lokalen Beobachtungen der vergangenen Jahre“, meint Seidl, „und unterstreichen, dass unsere Wälder in Mitteleuropa zunehmend durch den Klimawandel unter Druck stehen“. Andere Gebiete mit hohem Klimarisiko sind der südliche boreale Nadelwaldgürtel in Kanada und Russland und trockenere Gebiete in den Tropen – etwa im östlichen Amazonasgebiet.

Weniger starkem Klimarisiko ausgesetzt sind hingegen Wälder, die in nördlichen und generell kälteren Umgebungen vorkommen und die bereits eine große Vielfalt an unterschiedlichen Baumarten aufweisen – zum Beispiel im Osten der USA oder in China.

Weitere Forschung nötig

Die erste globale Karte zu Klimarisiken für Wälder sei aber noch nicht fehlerfrei, wie die Autorinnen und Autoren der Studie einräumen. Für jeden der drei Risikofaktoren wurde nicht nur ein einzelnes Modell, sondern gleich mehrere Ansätze und Studien verglichen. Das Problem dabei: „Es hat sich gezeigt, dass die unterschiedlichen Arbeiten und methodischen Ansätze zum Teil auch sehr unterschiedliche Aussagen über das Klimarisiko für ein- und denselben Ort liefern“, so Seidl. Noch gebe es demnach einige Unsicherheiten, die laut dem Ökologen hoffentlich in künftigen Untersuchungen geklärt werden können. Die Karte werde jedenfalls laufend erweitert und aktualisiert.

Wald als Klimaretter?

Trotz der bestehenden Unsicherheiten ist es laut Seidl klar, dass Wälder auf der ganzen Welt mit den Folgen der Klimaerwärmung kämpfen werden. Daher hofft er, dass die globale Risikokarte unter anderem bei klimapolitischen Entscheidungen berücksichtigt wird. „Wald wird sehr oft als Klimaretter und Kohlenstoffspeicher gesehen. Dass eben diese Funktion mancherorts vielleicht nicht mehr so gut erfüllt werden kann, sollte in der Klimapolitik sicher berücksichtigt werden“, erklärt der Ökologe.

Letztendlich gehe es in der Forschung des internationalen Teams darum Wege zu finden, um Wald an die fortschreitende Klimaerwärmung anzupassen und ihn auch in der Bewirtschaftung robuster zu machen. Einige Klimarisiken könne man etwa durch entsprechende Bewirtschaftungsmaßnahmen zum Teil abgefangen. Die erste globale Klimarisikokarte für Wälder sei ein wichtiger Schritt dorthin. Seidl: „Um die Wälder zu schützen und robuster zu machen ist es wichtig zu verstehen, wie hoch die Klimarisiken sind, wo die Hotspots liegen und welche Probleme dort am wahrscheinlichsten auftreten. Erst dann können wir versuchen, die Auswirkungen durch gezielte Bewirtschaftungsmaßnahmen abzufedern.“