Durcheinandergewirbelte Kleidungsstücke in einem Geschäft
Getty Images/iStockphoto/Sundry Photography
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Mode

Fast Fashion – das Problem

Die Modeindustrie verursacht weltweit mehr CO2-Emissionen als Luftfahrt und Schifffahrt zusammen, der Wasserverbrauch ist gigantisch und die Arbeitsbedingungen im Globalen Süden sind oft problematisch. Fast Fashion, also billig und schnell produzierte Mode, ist ein Umwelt- und Klimafaktor, der nach wie vor oft unterschätzt wird.

Die Fashionbranche ist nach der Ölindustrie der zweitgrößte Umweltverschmutzer, berichtete etwa ein internationales Team um die finnische Modeforscherin Kirsi Niinimaki in einem Artikel, der 2020 im Fachmagazin „Nature Reviews Earth & Environment“ erschienen ist.

Viel mehr Produktion und Abfall

Die dafür zusammengetragenen Zahlen: Mit rund fünf Milliarden Tonnen CO2-Emissionen trägt die Textilindustrie zu etwa zehn Prozent des weltweiten Gesamtausstoßes pro Jahr bei. Sie verbraucht jährlich 79 Milliarden Kubikmeter Wasser, spült dabei 200.000 Tonnen Mikroplastik in die Meere und verursacht 92 Mio. Tonnen Abfall – ein Großteil davon verschmutzt Landschaften oder wird ungefiltert verbrannt.

Zugleich steigt die Nachfrage, die weltweite Pro-Kopf-Produktion ist zwischen 1975 und 2018 von knapp sechs Kilogramm auf 13 gestiegen. 62 Mio. Tonnen Kleidung wurden zuletzt pro Jahr hergestellt, 2030 werden es nach Schätzungen 102 Mio. sein. In Großbritannien kaufen die Menschen im Schnitt 27 Kilogramm Kleidung pro Jahr, auf dem europäischen Festland ist es nicht viel weniger. Zugleich hat sich die durchschnittliche Verwendungsdauer von Hemden, Hosen und Co. seit 2005 um mehr als ein Drittel verringert.

In Österreich landen laut einer Studie des Umweltbundesamts vom Februar 2022 jährlich rund 220.00 Tonnen Textilabfälle im Müll. Nur 17 Prozent davon werden wiederverwendet und recycelt, 77 Prozent werden „energetisch verwertet“, vulgo: verbrannt.

Miserable Arbeitsbedingungen

Auch die sozialen Schattenseiten der Textilindustrie sind groß. In Mittel-, Ost- und Südosteuropa können Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie mit ihren Gehältern nicht einmal ihre Lebenshaltungskosten bestreiten, wie Recherchen der Clean Clothes Kampagne zeigen. Die wichtigsten Exportländer für Bekleidung sind China, Indien und Bangladesch. Die dort Beschäftigten bekommen niedrige Löhne und schuften unter harten Arbeitsbedingungen. In Bangladesch starben im Jahr 2013 mehr als 1.100 Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter, als die Fabrik Rana Plaza einstürzte. Tausende Menschen wurden teils schwer verletzt. Zu den Bekleidungsmarken, die im „Rana Plaza“ fertigen ließen, zählen Benetton, Adler Modemärkte, KiK, Carrefour, Mango, Zara, Kappa, C&A, Primark, H&M und viele weitere westliche Marken.

Nähmanufaktur in Vietnam
Reuters/Nguyen Huy Kham
Nähmanufaktur in Vietnam

Fast Fashion seit 2000

Verursacht hat die ökologischen und sozialen Verwerfungen Fast Fashion: Rund um die Jahrtausendwende begann sich der Produktionszyklus der Modeindustrie enorm zu beschleunigen. Die Kleidung wird vor allem in China und anderen asiatischen Ländern sehr schnell und billig hergestellt und dann zumeist auf Schiffen in den Globalen Norden transportiert. Fast Fashion setzt auf billige Mode, die neuesten Trends folgt, auf Impulskäufe, die sich möglichst oft wiederholen sollen, letztlich auf einen unstillbaren „Modehunger“. Das Geschäftsmodell ist extrem erfolgreich, die Branche stellt heute doppelt so viel Kleidung her wie vor 2000.

Beispiel China-Marke Shein

Eine wichtige Rolle bei Fast Fashion spielen Online-Handel, digitaler Vertrieb und Influencer-Bewerbung in den Sozialen Netzwerken. Zuletzt öfters in die Schlagzeilen gelangte so die chinesische Modemarke Shein, die in dieser Hinsicht besonders aggressiv auftritt. Sogenannte „Shein Hauls“ („Shein-Beutezüge“) sind im Netz äußert populär: Junge Menschen, großteils Frauen, packen vor der Kamera ihre Bestellung aus und präsentieren die neu erworbenen Stücke. Auf YouTube und TikTok werden manche dieser Videos millionenfach angeklickt. Die Preise der China-Marke sind extrem billig, der gesamte Produktionszyklus – vom Design bis zur Verpackung – soll nur noch eine Woche betragen. Zwischen 5.000 und 10.000 neue Produkte pro Tag kommen so auf den Markt, heißt es in einem Bericht der Schweizer NGO „Public Eye“, die sich für eine gerechte Globalisierung einsetzt.

“Fast-Fashion-Modell komplett aufgeben“

Was gegen diese Entwicklung getan werden kann? „Um die langfristige Stabilität der Modeindustrie zu garantieren, muss das Fast-Fashion-Modell, das auf Überproduktion und Überkonsum beruht, komplett aufgegeben werden“, heißt es dazu in dem Artikel der finnischen Modeforscherin Kirsi Niinimaki. Dazu brauche es grundlegende Änderungen auf Produktions-, Handels- und Konsumseite, internationale politische Koordination und ein Bekenntnis zu „Slow Fashion“. Was Konsumenten und Konsumentinnen tun können: in erster Linie überprüfen, ob sie den bevorstehenden Kleidungseinkauf wirklich brauchen, so die Expertin für nachhaltige Kleidung Heike Derwanz im science.ORF.at-Interview. Außerdem: auf sortenreine Textilfasern achten, ältere Kleidung reparieren oder tauschen und im Zweifelsfall lieber mieten.