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Chinnapong – stock.adobe.com
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Palliativpflege

Diskussionen über den Tod und das Sterben

Palliativmedizin möchte sterbenskranken Menschen bis zum Lebensende eine möglichst hohe Lebensqualität verschaffen: mittels Medikamenten und guter Betreuung. Ein Kongress in Wien diskutiert über aktuelle Herausforderungen.

Rund 90.400 Personen sind in Österreich im Jahr 2021 gestorben. Bis zu 18.000 von ihnen, also rund zwanzig Prozent, haben oder hätten von einer Palliativmedizin am Lebensende profitiert, meinen Palliativmedizinerinnen. Ein Kongress kommende Woche stellt – neben anderen Themen der Pflege und Altenbetreuung – die Palliativmedizin in den Fokus, möchte informieren und sich positionieren, auch gegenüber der Sterbehilfe.

Mit dem Sterbeverfügungsgesetz können Menschen in Österreich seit diesem Jahr in begründeten Fällen ihr Leben aus freiem Entschluss beenden, auch mit Hilfe von anderen Menschen. Eva Masel, Leiterin der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin an der Meduni Wien wünscht sich mehr Diskussionen über den Tod und das Sterben, denn in ihrem Alltag zeige sich, dass viele Patienten von ihrem Sterbewunsch ablassen, wenn sie palliative Pflege erhielten.

„Sorgfältig mit Gesetzgebung umgehen“

Ärztinnen und Angehörige sollten immer sehr genau hinschauen und fragen, warum jemand sein Leben beenden möchte. „Da braucht es meines Erachtens einfach eine gesellschaftliche Bewegung, die dafür Sorge trägt, dass man sehr sorgfältig mit einer solchen Gesetzgebung umgeht“, so Masel. Sie wolle die Palliativmedizin nicht gegen die Sterbehilfe ausspielen, besorgt sei sie trotzdem. Man könne anhand des Quality of Death Index beobachten, dass in den Ländern, in denen Sterbehilfe oder assistierter Suizid erlaubt ist, die Palliativversorgung schlechter werde.

500 Betten für 18.000 Betroffene

Momentan stehen laut Masel in Österreich für bis zu 18.000 Menschen mit Bedarf an Palliativbetreuung jährlich 500 Betten zur Verfügung – hier müsse ausgebaut werden. Noch wichtiger ist es in ihren Augen jedoch, dass die Möglichkeit, sich palliativ betreuen zu lassen, stärker im Bewusstsein verankert wird – im Sinne der freien Entscheidungsfindung.

„Aus anderen Ländern weiß man etwa, dass Menschen aus Einsamkeit, weil sie bettlägerig sind oder Angst haben, sie fallen jemandem zur Last, also aus sozialem Druck, den assistierten Suizid in Anspruch nehmen,“ berichtet Eva Masel.

Kritik an Begutachtung

Kritik übt sie auch an der derzeitigen Begutachtungspraxis bei suizidwilligen Menschen. Diese müssen zwei voneinander unabhängige ärztliche Personen aufsuchen, eine davon muss eine palliativmedizinische Qualifikation aufweisen. Dafür brauche es allerdings nur eine einwöchige Ausbildung und eine Woche Praktikum, so die Expertin.

„Was ich kritisiere ist, dass es hier zu einer Kommerzialisierung kommen kann. Das ist zwar ausdrücklich vom Gesetz so nicht vorgesehen, aber es wird und das beobachten wir auch, Menschen geben, die auch deswegen das Palliativ-Diplom machen, weil ein Gutachten ein Honorar ergibt“. Eva Masel fürchtet, dass damit eine qualitativ hochwertige Beratung und Aufklärung für Suizidwillige nicht immer möglich ist – auch, wenn es darum geht, die geistige Verfasstheit der Menschen einzuschätzen.