Sprachwissenschaft

Wie die „Schadenfreude“ in die USA kam

Wenn Feuerwerkskörper bunte Lichter in den Nachthimmel zaubern, freut man sich in Polen über das schöne „Fajerwerki“ und in der Türkei fährt man mit seinem Wagen auf die „Otoban“. Zahlreiche deutschsprachige Begriffe sind in den vergangenen Jahrhunderten in andere Sprachen übernommen worden. Ein eher jüngeres Beispiel dafür ist die in den USA verbreitete „Schadenfreude“.

„Wenn ein Wort erst einmal hundert Jahre in einer Sprache ist, dann kann man wohl davon ausgehen, dass es auch in irgendeiner Form bleiben wird“, sagt der Sprachwissenschaftler und Journalist Matthias Heine. Bereits im späten Mittelalter hätten Kaufleute deutsche Ausdrücke in andere Länder gebracht. Heine zufolge verbreiteten sich die Begriffe durch Handel, Kolonialismus und Kriege, aber auch durch die zeitweise herausragende Rolle deutscher Kultur und Wissenschaft. „Am allermeisten verbreitet ist der chemische Wortschatz.“

Die deutsche Chemie sei im späten 19. Jahrhundert und noch lange Zeit später weltführend gewesen. Deswegen fände sich das Wort „Zink“ nicht nur im Englischen und Französischen („zinc“) oder im Italienischen („zinco“) wieder, sondern zum Beispiel auch im Chinesischen („xin“).

„Die Simpsons“ und die „schadenfreude“

Eine Besonderheit des Deutschen liegt der Gesellschaft für deutsche Sprache zufolge in der Möglichkeit, ein Wort aus mehreren anderen Wörtern zusammenzusetzen. In vielen Sprachen der Welt sei das nicht möglich. Deswegen würden Germanismen benutzt, um Bezeichnungslücken zu füllen. Ganz selbstverständlich verwendet man im Englischen Wörter wie „schadenfreude“ oder „zeitgeist“, wie Heine in seinem kürzlich erschienenen Buch „Ausgewanderte Wörter – Von Deutschland in die ganze Welt“ erklärt.

Buchhinweis

Matthias Heine: Ausgewanderte Wörter – Von Deutschland in die ganze Welt, Verlag DuMont.

Die Schadenfreude, heißt es darin, sei durch die Zeichentrickserie „Die Simpsons“ nach Amerika gekommen. Hauptfigur Homer Simpson ist begeistert, als seine Tochter Lisa ihm erklärt, dass die Deutschen einen eigenen Begriff für die boshafte Freude am Unglück eines anderen hätten. „Junge, Junge, diese Deutschen haben für alles ein Wort“, zitiert Heine den dickbäuchigen Familienvater in seinem Buch. Nach der Ausstrahlung der Folge sei der schriftliche Gebrauch des Wortes in den USA gestiegen und heute in englischsprachigen Medien allgegenwärtig.

„Shule“, „arubaito“, „potschtamt“

Die meisten der aus dem deutschen Sprachraum ausgewanderten Wörter fänden sich im Englischen wieder, schätzt der Autor. Beide Territorien hätten im 19. Jahrhundert intensive Kulturbeziehungen gepflegt. „Das Englische ist grundsätzlich eine sehr aufnahmefreudige Sprache.“ Doch auch weit über europäische Grenzen hinaus sind deutsche Worte gekommen, um zu bleiben. In Tansania, einer ehemaligen deutschen Kolonie, heißt „Schule“ auf Swahili „shule“, einen Teilzeitjob bezeichnet man in Japan als „arubaito“ und in Russland bringt man seinen Brief aufs „potschtamt“.

Polen lernen häufig Deutsch

Nach einer Erhebung des Auswärtigen Amts aus dem Jahr 2020 kommen rund 72 Prozent der Deutschlernenden aus Europa und Russland. Polen ist demnach das Land mit den meisten Deutschschülerinnen- und -schülern. „Es gibt auch Zielgruppen, die sich ganz spezifisch für Deutsch interessieren, weil sie gerne mal Goethe im Original lesen oder deutsches Liedgut im Chor korrekt aussprechen wollen“, sagt Verena Sommerfeld, Leiterin für den Bereich Deutsch als Fremdsprache beim Goethe-Institut in München. Die deutsche Sprache habe durchaus den Ruf, schön zu sein.

Wenn sie über Grenzen hinweg gereist waren und nicht mehr fortgingen, klingen die ausgewanderten Wörter vielleicht sogar noch etwas schöner als hierzulande – etwa wenn in Kamerun bei Dunkelheit die „tosilam“ (von „Taschenlampe“) eingeschaltet wird, oder wenn sich ein britischer Kletterer beim „abseiling“ langsam die Felswand heruntergleiten lässt.